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strübel & passigOptimierte Bedürfnisse

Vorab vielleicht ein paar Worte der Rechtfertigung: Es zwingt einen schließlich niemand, E-Commerce-Angebote wahrzunehmen. Ich gehe nur nicht gern einkaufen. Bei Gesprächen mit Verkäufern fühle ich mich wie ein Geschöpf mit Tentakeln von einem anderen Planeten, und wenn ich Kleidung anprobieren soll, dann stellt sich wiederum heraus, dass sie für außerirdische Tentakelgeschöpfe gefertigt wurde. Und überhaupt muss man zum Einkaufen nach draußen, und nach dem ersten Geschäft womöglich noch in ein zweites, und dann fehlt der Euro für den Einkaufswagen, und dann fällt einem der ganze Kram vom Fahrrad.

 Es gibt auch Menschen, die gern einkaufen. Zum Glück kenne ich ein oder zwei davon und kann sie durch Mitleid erregendes Wehklagen oder durch das Tragen Mitleid erregender Kleidung dazu bewegen, mir hin und wieder Abgelegtes zu vererben.

 Da man aber nicht alles ererben kann, habe ich schon vor zwei Jahren gelobt, mein geringes Einkommen so vollständig wie möglich vermittelst E-Commerce wieder in Umlauf zu bringen. Eigentlich müsste ich der feuchte Traum aller E-Commerce-Anbieter sein: Ich wedele freudig mit meinen persönlichen Daten und möchte nichts lieber als online Geld verprassen. Aber genau daran hindert man mich Tag für Tag in frechster Manier.

 Neulich zum Beispiel erfragte ich bei einem Baumarkt per E-Mail den Preis für einige Bretter. Nein, es war gar nicht per E-Mail, es war eins dieser potemkinschen Kontaktformulare, die andeuten, dass man in dem betreffenden Unternehmen E-Mail für Teufelswerk hält und Anfragen deshalb in der Firmenzentrale ausdruckt und zu Fuß beim zuständigen Sachbearbeiter vorbeibringt. Jedenfalls passierte erst mal eine Woche lang gar nichts. Dann rief mich ein Mitarbeiter dieses Baumarkts an und wollte wissen, an welche Nummer er die Antwort faxen solle. Und so geht das andauernd! Will ich in mein Gärtlein gehn, eine Brille kaufen, steht auf den Webseiten von Fielmann nichts als ein öder Prospekt herum: „Fielmann will seinen Kunden Enttäuschungen ersparen, daher werden wir im Internet bis auf weiteres keine Brillen zum Kauf anbieten: Wir sind uns sehr sicher, damit auch in Ihrem Interesse zu handeln.“ Bei IKEA bietet man mir immerhin „eine Auswahl von etwa 600 Produkten“ aus den geschätzten 60.000 begehrenswerten Förhöjas und Haparandas, damit ich mich „vor dem Besuch im Einrichtungshaus informieren“ kann.

 Also, Wirtschaft, ich weiß auch nicht. Vielleicht können wir so verbleiben: An der Stelle, wo es heißt „Mit einem Browser wie dem Ihren scheren Sie sich doch bitte fort“, da ist doch sicher noch Platz für einen kleinen Zusatz wie: „… und dieser Einkaufswunsch, den Sie da haben, der ist übrigens auch nicht für unsere Website optimiert. Klicken Sie hier, hier oder hier und installieren Sie ein aktuelleres Bedürfnis – z. B. den Wunsch, halbstündige Flash-Animationen oder die Guided Tour durch unsere Vorstandsetage zu sehen. Oder Ihre Leidenschaft für knifflige Geduldsspiele wie die Suche nach unserer Kontaktadresse.“ Ich bin mir sehr sicher, damit auch in Ihrem Interesse – nein, ich lüg: ganz in meinem zu handeln. KATHRIN PASSIG

kathrin@kulturindustrie.com

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