steuerreform : Schulden machen ist keine Politik
Kanzler Schröder verbreitete gestern die Euphorie der frohen Botschaft. Dazu besteht kein Anlass. Die vorgezogene „Steuerreform“ hat mit einer Reform nur den Namen gemeinsam. Tatsächlich wurde ganz simpel die Wählergunst erkauft. Alle sollen gut gelaunt in den Urlaub starten können, auch die Regierung.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Das ist schade. Man hätte das Steuergeschenk nutzen können, um zu gestalten. Hätte das Steuerrecht vereinfachen, hätte es gerechter und ökologischer ausrichten können. Stattdessen wird nur die Neuverschuldung erhöht, um den Bürgern einige Milliarden Euro zu schenken. Das ist keine Politik, das ist schlichte Kreditaufnahme.
Schröder sieht das natürlich anders, er hofft auf Aufschwung. Diesen Optimismus teilt nicht jeder. Viele Wirtschaftsforscher bezweifeln, dass es die Steuergeschenke sind, die stimulierend wirken. Aber selbst wenn Schröder bestätigt wird und die Krise endet – selbst dann ist seine Reform verfehlt. Sie ist zu fantasielos. Geld ins System pumpen reicht nicht mehr. Das ist wie bei der Gesundheitsreform.
Schröders Reform missachtet drei Binsenweisheiten zum Steuerrecht. Binse 1: Es ist zu kompliziert, da sind sich alle einig. Inzwischen kommt kaum ein Bürger ohne Steuerberater aus. Binse 2: Die Psychologie der Wähler ist derart konstruiert, dass sie alle ein einfaches Steuerrecht wollen – aber die Ausnahmen, die sie begünstigen, die sollen bitte bestehen bleiben. Daraus folgt Binse 3: Reformierbar ist das Steuerrecht nur, wenn es mit Geldgeschenken an die Bürger einhergeht. Das bedeutet umgekehrt, dass jede Steuersenkung mit einem Subventionsabbau verbunden sein muss.
Gegen diesen Grundsatz verstößt Schröder – und ist auch noch stolz darauf. Allerdings unterbreitet die Union keine besseren Vorschläge. Beiden Volksparteien fällt nur ein, sich gegenseitig vorzuwerfen, sie würden ja keine Konzepte vorlegen. Da haben sie so Recht.
Bei derart wenig Gestaltungswillen sind nur Minimallösungen denkbar. Aber selbst da gibt es bessere Alternativen als die Schröder’sche Reform. Wenn schon Neuverschuldung zur Konjunkturbelebung, dann hätte der Staat das Geld selbst ausgeben sollen, statt es den Bürgern zu schenken. Dann wären die Mittel wenigstens nicht teilweise auf dem Sparbuch gelandet, sondern man hätte damit etwa Schulen sanieren können. Das ist dringend nötig – was sich nicht von jeder privaten Fernreise sagen lässt, die die Steuergeschenke einigen ermöglichen.