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stefan kuzmany über AlltagAufhören für den Aufschwung

Wer das Rauchen aufgibt, hat eine große Zukunft vor sich: als Dieb, Kiffer oder Kanzlerkandidat

Als ob es nicht schlimme Beispiele genug gäbe! Hilde A. (27), lustige, lebensfrohe Person, gab das Rauchen auf, mutierte binnen Wochen zur unerträglichen Zimtzicke. Bernd F. (30), geschätzt im Kollegenkreis, glänzende Karriereaussichten, stieg auf Karotten um, trug fortan den Spitznamen „Möhrchen“ und ward nie mehr befördert. Axel B. (28), starker Raucher und Gelegenheitskiffer, wollte nicht mehr rauchen, nur noch gelegentlich kiffen, kiffte fortan immer dann, wenn er eigentlich rauchen wollte, verlor Freundin, Arbeitsplatz, Hirn. Edmund S. (33, siehe Foto), guter Schafkopfer, mächtige Koteletten, verzichtete radikal auf Zigaretten, kurz darauf war er rasiert, bayerischer Ministerpräsident und Kanzlerkandidat.

Aber nein, es half alles nichts, Markus wollte unbedingt aufhören. Den ganzen Abend lang jammerte er schon vor sich hin, dabei eine Zigarette nach der anderen entzündend. Teurer sei es geworden, viel zu teuer. Und warum? Damit die innere Sicherheit prosperiere! Das könne er nicht länger tragen und ertragen auch nicht. Dazu, und das sei der eigentliche Grund, plagte ihn schon seit Tagen dieses seltsame Ziehen in der linken Brust. Sollten das erste Warnsignale sein? Nahte bereits der Herzinfarkt? Der Kollaps? Das Ende?

Sehen die Menschen denn nicht, was das Nichtrauchen aus ihnen macht? Mich hätte es beinahe einmal zum Dieb werden lassen. Vor einigen Jahren wurde ich von einer lieben Freundin eingeladen, mit ihr einige Tage im Haus ihrer Eltern am Gardasee zu verbringen. Sehr schön war es da, nur ein Problem gab es: Sie rauchte nicht, und nicht nur das – in dem Ferienhaus durfte überhaupt nicht geraucht werden. Und da ich weder wusste, wie und wo man in Italien Zigaretten erwirbt, noch welche mitgenommen hatte, rauchte ich eben auch nicht. Eine geschlagene Woche lang. Ohne Probleme. Doch dann wanderte ich an einem sonnigen Nachmittag durch die wunderschöne Landschaft. Und siehe: Auf einem einsamen Feldweg parkte ein einsamer Jeep, der Fahrer war sonst wo, die Scheibe an der Fahrerseite heruntergekurbelt. Neugierig und wie von einer unheimlichen Macht getrieben näherte ich mich dem Wagen. Und als hätte sie der Teufel selbst dort hingelegt, sonnte sich da eine unschuldige Zigarette auf der Ablage über den Armaturen, nur bewacht von einer wehrlosen Streichholzschachtel. Zum Greifen nahe. Einmal kurz hineinlangen. Niemand würde mich erwischen. Ich weiß nicht, wie lange ich da gestanden habe, hadernd ins Wageninnere starrend. Irgendwann tauchte jedenfalls der Jeepbesitzer auf, musterte mich kritisch, stieg ins Auto, steckte sich die Kippe an und fuhr davon. Aus dem offenen Autofenster tönte Adriano Celentanos „Azzurro“, mich umwölkte derweil eine Staubwolke. Es war mir, als dufte sie leicht nach Tabak.

Es begann eine schlimme Zeit mit Markus. Er war wie ausgewechselt, wir erkannten ihn nicht wieder. Immer öfter verabschiedete er sich früher als sonst aus unseren gemeinhin doch so fröhlichen Runden, verkündete mit geschmerztem Gesicht, er müsse sich schonen. Die Herzbeschwerden hätten immer noch nicht nachgelassen, obwohl er jetzt doch schon vier Tage lang nicht mehr rauche. Er mache sich ernsthaft Sorgen.

Wir auch. Denn der nikotinabstinente Markus vollzog einer seltsame Persönlichkeitswandlung. Hatte er früher leidenschaftlich auf den Euro geschimpft, war er nun ein großer Befürworter der neuen Währung geworden. War er uns bisher bekannt als scharfzüngiger Polemiker, der Menschen anderer Meinung mit spitzen Bemerkungen erst in die Ecke, dann vom Tisch drängte, gab er nun plötzlich den großen Versöhner und Tolerierer. Schien er noch vor wenigen Wochen über klare Konzepte für seine persönliche und die Zukunft des Landes zu verfügen, machte er jetzt den Eindruck eines in die Welt Geworfenen, der nicht recht weiß, wie er mit derselben umzugehen hat.

Das nächste Mal tauchte er gar nicht mehr auf. Wir dachten schon, ihn hätte tatsächlich eine schlimme Krankheit niedergeworfen. Da erzählte uns Klaus, der Lokaljournalist, er habe Markus gestern bei einer Veranstaltung der Jungen Union angetroffen. Er solle uns ausrichten, mit uns verbinde Markus fortan zu wenig, um noch seine Zeit mit weltfremden, unernsten, sich selbst und die Gesundheit anderer schädigenden Personen verbringen zu wollen.

Ich konnte, wollte es nicht glauben. Mit einer Schachtel Gitanes Mais in der Tasche machte ich mich auf den Weg zu Markus’ Wohnung. Ich wollte ihn zur Rede stellen. Mehr noch: Ich wollte ihn verführen, auf den Pfad der Untugend zurückzukehren. Aber er war nicht da. Enttäuscht machte ich mich auf den Weg in unsere Stammkneipe, um von meinem Misserfolg zu berichten.

Da saß er bereits. Rauchend. Lachend. Ganz der Alte. Plötzliche Heilung? Fast. Das Ziehen in der linken Brust, habe sich schließlich herausgestellt, rührte von einem entzündeten Pickel in der Achselhöhle. Was waren wir erleichtert!

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