staralbum: Der Aufarbeiter
Plötzlich sind ganz schön viele chinesische Journalist*innen auf der Berlinale unterwegs. Im Kino und auf der Pressekonferenz. Das Interesse an Wang Xiaoshuais neuem Film „So long, my son“ ist riesig. Fragt man eine chinesische Journalistin im Kino, die im Laufe des Films viele Tränen weinen wird, sagt sie: „Wang Xiashuai ist ein sehr berühmter Regisseur in China. Er gehört der sogenannten sechsten Generation von Filmemachern an. Er macht sehr künstlerische, schöne Filme, aber die meisten davon sind in China verboten.“
Wang Xiaoshuai ist 52 Jahre alt, eigentlich sollte er Malerei studieren, ging dann aber in den Untergrund, um Filme zu machen, das Geld dafür lieh er sich von Freunden. 1993 war sein erster Film fertig, in Schwarzweiß erzählte er von einem frischverheirateten Künstlerpaar. Mit „Beijing Bycicle“ gewann er 2001 den Großen Preis der Jury, für das Drehbuch von „In love we trust“ gewann er 2008 den Silbernen Bären.
Obwohl in China ein Sprichwort rät „Schau nach vorne, vergiss die Vergangenheit“, arbeitet Wang Xiaoshuai die rasanten Veränderungen, die die chinesische Gesellschaft durchlebt, in seinen Filmen auf und übersetzt sie in Gefühle und Geschichten. „Nur wenn wir die Vergangenheit in Ordnung hinter uns lassen, können wir in die Zukunft schauen“, sagt Wang Xiaoshuai in der Pressekonferenz, zu der er sieben Schauspieler mitgebracht hat. Auf dem Namensschild, das vor ihm steht, sind die Aufgaben gelistet, die er übernommen hat: Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Schauspieler.
„So long my son“ thematisiert die Ein-Kind-Politik, die Folgen der Kulturrevolution und Zwangsabtreibungen. Wang Xiaoshuai berührt ganz universelle Gefühle wie Verlust, Trauer, Vergebung. „Mein Fokus war das Gefühl. Das Gefühl sollte die Geschichte erzählen. Davon, wie Menschen mit Verletzungen umgehen. Wie können sie vergeben, sich wieder in die Augen sehen? Chinas Kino braucht solche Filme, die chinesische Gesellschaft braucht solche Geschichten.“ Viktoria Morasch
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