standbild: Milde Fragen
News and Stories (So., 23.45 Uhr, Sat.1)
Meister des Polittalks interviewt Vorkämpferin der Frauenbewegung: Alice Schwarzer bei Günter Gaus, man durfte gespannt sein. Eine unkonventionelle Einstiegsfrage, in der Tat: Gaus wollte wissen, ob Schwarzer, die bisweilen ja öffentlich diffamiert werde, Lustgewinn empfindet, wenn sie aus dem Rahmen fällt und hart aneckt. Und abstreiten mag sie auch nicht, „gewisse Freude zu empfinden“, gelernt zu haben, sich zu wehren, entsprechende Personen zu demaskieren. Im Grunde sei sie jedoch friedlich, bevorzuge, sich nicht wehren zu müssen. Was Gaus nicht so recht glauben mochte: „Haben Sie es mal ausprobiert?“
Wie üblich, eloquent-hintersinniger Gedankenaustausch. Allerdings geht Gaus die Vorzeige-Emanze der Republik mitunter mit Samthandschuhen an. Lässt sie unwidersprochen Widersprüchliches dahersagen, als wolle er so ihre Renitenz belohnen. Wird Gaus bei Gesprächspartnern schwach, die sich gegen den Commonsense hartnäckig für ihre Sache einsetzen?
So viel steht fest, Schwarzer wird wenig gestreng auf Wahrhaftigkeit geprüft. Ganz anders als jene Politprominenz, deren Fraktionszwänge und bisweilen festgekleisterte Bürokraten-Rhetorik Gaus in seiner Sendung regelmäßig entlarvt.
Gaus gibt sich galant als Softie in Reinkultur.
Geradeso, als sitze noch jene Alice Schwarzer vor uns, die dereinst auf außerparlamentarische Frauenpower setzte, etwa die Kampagne gegen das Abtreibungsverbot anstieß. Lang ist es her. Schwarzer schwadroniert stattdessen euphorisch über Sympathien für Angela Merkel. Deren „frischer Zugriff auf Themen“ gefalle ihr.
Ein eklatanter Widerspruch: Sie schwelgt in Hofgesängen für die Vorsitzende ausgerechnet jener Partei, deren Politik der Schwarzgeldkonten sie als „klassisch männliche Form der Machtausübung“ geißelt. Da hätte man doch zu gern erfahren, was hinter solcher Geisteshaltung steht.
Am Ende ist jedoch gewohnt Gaus’sche Schärfe zu verspüren: Wie Schwarzer Gegensätze zwischen Arm und Reich aufzuheben gedenke, wenn sie die Eigentumsfrage nicht stellen wolle? – So schätzen wir ihn.
GITTA DÜPERTHAL
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