standbild: Nicht mit Gaus
News and Stories
(So, 23.30 Uhr, Sat.1)
Clever hat Günter Gaus das eingefädelt, muss wohl mancher Fernsehzuschauer gedacht haben. Zumindest zu Beginn des Gesprächs mit PDS-Politiker Helmut Holter. Clever, nicht unmittelbar mit dem Hauptsujet zu beginnen. Zunächst provozierte der erfahrene Polittalkmaster, indem er Holters Reformpolitik als „mildernd“ bezeichnete. Doch nach der Sendung „News and Stories“ – bares Staunen. Solche allgemeinpolitischen Wortgeplänkel dienten keineswegs als geschickte Überleitung zu gezielten Detailfragen. Kein Wort zur so genannten Ehefrauen-Affäre, Günter Gaus wollte offenbar nichts wissen über jene überdurchschnittlich hohen Fördermittel, die Holters Ministerium für Arbeit und Bau zu Gunsten einer Weiterbildungsfirma vergab. Jener Firma, in der sowohl des Ministers Frau Karina tätig ist als auch die seines Staatssekretärs Joachim Wegrad. Peanuts? Auch die kommende Berlin-Wahl: nur indirekt Thema.
Ausgiebig war dafür vom Schmusekurs der PDS gegenüber der SPD die Rede. Ob die PDS sich nicht schlicht überflüssig mache, wenn sie in der SPD aufgehe. Fragen, die im Bezug auf die Berliner Wahlen keine unbedeutende Rolle spielen. Lehrreich vielleicht ebenso, dass Holter, dem sein Ruf als pragmatischer Macher vorauseilt, in der Tat reichlich leidenschaftslos wirkt, wenn er gebeten wird, Ideale und Visionen benennen. Treuherzig sein Statement zur Globalisierung: Die sei zwar nicht aufzuhalten, wohl aber wolle er, Holter, dafür sorgen, dass deren Auswirkungen in der Region Meck-Pomm weniger zu spüren wären.
Gaus ist bekanntermaßen Meister darin, fröhlich mit hochgekrempelten Ärmeln daherkommende Macher, soeben noch im Begriff, hoch erhobenen Hauptes schnelle, aus der Hüfte geschlossene Entscheidungen zu verkündigen, in seiner Sendung zu zaudernden Gemütern zu wandeln. Zum Nachdenken genötigt wurde zudem jener überzeugte Wessi-Zuschauer, der im untergegangenen Staat DDR heute noch gern Feindesland sieht, in dem ein ganzes Volk unterdrückter und eingesperrter Opfer gelebt haben muss – nur um anschließend in Lobgesang über den goldenen Westen zu verfallen. Nicht mit Gaus.
GITTA DÜPERTHAL
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