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standbildWürmer naschen

„Mission Germany“ (täglich, 18 Uhr, ProSieben)

Das waren noch Zeiten, als wir gegen die Videoüberwachung gekämpft haben! Auch Menschenjagd fanden wir irgendwie nicht okay. 1970 hagelte es Proteste, als Wolfgang Menges Fernsehfilm „Millionenspiel“ über die Bildschirme flimmerte: Wegen des „Moderators“ Dieter Thomas Heck hielten manche Zuschauer die Spielshow, bei der ein Kandidat von Killern quer durch die Republik verfolgt wird, für Realität. Jetzt heißt das Spiel „Mission Germany“, die Waffen sind Kameraobjektive, und neun junge, gut aussehende Menschen kämpfen in der Pilotsendung darum, dass sie einen Monat lang von der „ganzen Nation gehetzt“ (ProSieben-Werbung) werden dürfen.

In einem Ausbildungscamp, das aussieht wie das verregnete Zeltlager der Wasserwacht im Sauerland, qualifizieren sich die Goretex-Träger für das dreiköpfige Agententeam. Dabei filmen sie sich gegenseitig in ihren Schlafsäcken, was dem ganzen wohl einen „Blair Witch“-Schauer verleihen soll: Wackelige Schwarzweißbilder, riesige Pupillen. Und dann kichernd: „Birte, ich hab gehört, du schläfst neben Peter?“ Dann robben sie in Shorts und mit festgeklebten Wollmützen zu „G.I.-Jane“-Kommandos durch den Schlamm, und die Mädels werden danach im weißen T-Shirt unterm Wasserfall gefilmt. Im Camp sollen die Agenten lernen, wie sie sich 30 Tage lang unerkannt durch Deutschland schlagen. Logisch, dass sie sich da dick mit Tarnfarben einschmieren und pfundweise Regenwürmer naschen müssen. Und wer schon mal auf dem Stadtplatz von Bielefeld mit Flintsteinen Ratten gehäutet und gegrillt hat, weiß, dass man damit garantiert nicht auffällt! Doch denken müssen die ProSieben-Agenten sowieso nicht. Das tut der Agentenboss „Mr. X“: Sky Dumont in schwarzem Trenchcoat und silbernem Opel-Cabrio (!) als Mischung aus Santa Maria („Schuh des Manitu“), James Bond und Dr. No.

Doch noch bevor die Jagd richtig losgegangen ist, droht ProSieben bereits eine rechtliche Auseinandersetzung: Nicht wegen Verstosses gegen die Menschenwürde, sondern weil die Idee geklaut sein soll: Alexander Skora veranstaltete bereits vor zwei Jahren im Internet einen „Reality-Run“.

ANNETTE KLINKHART

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