standbild: Des Westdeutschen Zähmung
„Wie werde ich Demokrat“ (22.30 Uhr, Arte)
In einem Klassenzimmer sitzen NS-Schergen, die verantwortungsvolle Bürger werden sollen. Sie könnten, frohlockt der Kommentar aus dem Off, zum Beispiel als Verkehrspolizisten arbeiten. Schnitt. Die frisch gebackenen Exfaschisten fuchteln auf dem Schulhof politisch korrekt mit den Armen. Das ist nicht schwer für sie: Zieht man den Arm beim Hitlergruß zur Seite, wird daraus ein Verkehrs-Handzeichen.
„Re-education“ nannten die Alliierten die Heranführung der Deutschen an die Demokratie. Doch nicht in allen Beiträgen, die bis 1952 für die britisch-amerikanische Wochenschau „Welt im Film“ gedreht wurden, war Umerziehung Verkehrserziehung. Der große Kehraus der NS-Symbolik gab sich meist brachialer: Es wurde gesprengt, zersägt, geschmolzen.
Für die Doku „Wie werde ich Demokrat?“ wurden Szenen aus Wochenschauen und Lehrfilmen zusammengeschnitten, auf zusätzliche Kommentare aber verzichtet. Dadurch entwickelt sich eine sogartige Wirkung – schon weil die symbolische Zerstörung des alten Systems mit industrieller Effizienz betrieben wurde. In einem Spot sieht man, wie Panzerfäuste zu Küchensieben werden, dazu spielt ein Orchester erhitzten Swing. Die vorhandenen Energien der auf Produktion und Expansion konditionierten Deutschen, wurden geschickt umgeleitet, aber nicht neu strukturiert. So lässt sich in der medialen Dekonstruktion des Dritten Reichs, wie sie für „Welt im Film“ inszeniert wurde, kein Hinweis auf eine echte Zäsur in der deutschen Geschichte lesen. Die Rasanz beim Umbau des Landes diente vielmehr dazu, einen fließenden Übergang von der Kriegsmittelproduktion zur fröhlichen Akkordarbeit des bevorstehenden Wirtschaftswunders zu schaffen.
Aber vielleicht verfolgten die Briten und Amerikaner ja sowieso ein ganz anderes Anliegen. Im Laufe der Jahre schob sich jedenfalls in den Wochenschauen ein neues Feindbild vor das der Nazis: Am Ende ging es vor allem darum, den schädlichen Einfluss der Sowjets auf den anderen Teil des Landes zu zeigen. Da waren die gezähmten Westdeutschen verlässliche Verbündete. CHRISTIAN BUSS
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen