piwik no script img

spiel nicht mit den wrangengindern

von CAROLA RÖNNEBURG

Manche Spiele aus der Kindheit werden durch eine Modernisierung wieder interessant. „Stadt, Land, Fluss“ etwa ist ein sehr schönes Spiel, wenn man es einem Relaunch unterzieht und die Regeln ein wenig ändert. Das beginnt mit der Buchstabenfindung.

Früher rief ein „Stadt, Land, Fluss“-Mitspieler laut „A!“ und ging dann angeblich im inneren Monolog und selbst gewähltem Tempo das Alphabet durch. So lange, bis jemand „Stopp“ sagte. Der Alphabetisierer behauptete dann, gerade beim Buchstaben „N“ angelangt zu sein. In Wahrheit hatte er die Zeit genutzt, sich „Nürnberg“, „Norwegen“ und „Naab“ einfallen zu lassen.

Unter Erwachsenen erfolgt die Auswahl des Anfangsbuchstabens deshalb über Zeitungspiken ohne Hingucken. Vor allem aber spielt man „Stadt, Land, Fluss 2000“ mit neuen Kategorien. „Pflanze“, die klassische Rubrik aus der Kinderzeit, kann man durch „Berge“ ersetzen, beziehungsweise, um Streit zu vermeiden, „Berge inklusive Vulkane“. Andere schöne Neueinführungen heißen „Skandalnudeln“, „Katastrophen“ oder „Österreicher“. Je nachdem, welcher Buchstabe gepikt wurde, kann „Stadt, Land, Fluss 2000“ sehr leicht sein („Töpperwien!“, „Titanic!“, „RTL-Thoma“) oder die Runde verzweifeln lassen.

Es gibt jedoch Schlimmeres als ein Ö: den fränkischen Mitspieler. Dabei ist unerheblich, ob „Stadt, Land, Fluss 2000“ oder „Classic“ gespielt wird – der Franke macht Sie unklücklich, quatsch, unglücklich, und das geht so: „Schdobb!“, ruft der fränkischstämmige Kleinverleger Piddamann kurz nach Beginn der ersten Runde, die sich um das „B“ dreht. Zufrieden lehnt er sich zurück. „Stadt?“ fragt er. „Braunschweig“, sage ich. „Berlin“, liest Herr Piddamann vor. „Land: Belgien“, mache ich weiter. „Bordukal“, sagt Piddamann. „Wo liegt denn das – in Afrika?“ Piddamann kichert überlegen. „Bordukal gibt es gar nicht“, sage ich. Wohl gäbe es das, insistiert der Verleger, seinen letzten Urlaub habe er dort verbracht, und ich kennte mich wohl „in Euroba“ nicht besonders gut aus.

Ein Lexikon schafft Klar- und Verlegenheit, doch auf Bordukal soll weitere Verwirrung folgen. In der Kategorie „nachweislich unangenehme Zeitgenossen“ kommt es wieder zu Diskussionen. „Bohlen, Dieter“ stammt selbstverständlich von mir, „Beter Bloog“ vom Franken, der unter „Fußballvereine“ außerdem „Porussia Mönchen Klattpach“ notiert hat. Diesmal dauert es ziemlich lange, bis er ein Einsehen hat und seinen Eintrag zurückzieht. Auch die nächste Runde verläuft nicht viel besser. Franken verwechseln nicht nur „P“ und „B“, sondern leider auch „T“ und „D“ sowie „G“ und „K“. In der Folge wandelt sich mein Mitspieler von einem fröhlichen Besserwisser in einen beleidigten Griesgram, weil ich ihm weder die „Griemhild“ (Abt. „weibliche Charaktere aus der Fiktion“) noch „Drabbatoni“ durchgehen lasse. Nachdem auch noch der „Kroßklockner“ von mir gestrichen wird, brechen wir die Partie ab und plaudern stattdessen noch ein wenig – – und zum Glück hat Herr Piddamann „noch einen firglich kuden Gonjag“ anzubieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen