spiel mir das lied von der gez:
von WIGLAF DROSTE
Es ist nicht erfreulich, wenn ein Künstler, den man schätzt und der das nicht nötig hat, ins dumpfe Reklamefach wechselt. Otto Sanders Sandpapierstimme zugunsten öder Automobile und für den Stromerzeuger Eon werben zu hören, ist fies – weniger wegen moralischer Einwände, sondern weil ein extrem fader Inhalt auch der wirkungsvollsten Stimme ihre Eindringlichkeit raubt.
Mitte der Neunzigerjahre lieh Max Goldt, als Sänger und Texter von Foyer des Arts längst eine Legende und als Kolumnist nicht nur berühmt, sondern auch sehr gut verdienend, seine Stimme der Gebühreneinzugszentrale GEZ. Menschen wurden plötzlich von der Seite angesprochen, sie möchten doch bitte nicht versäumen, ihre Rundfunk- und Fernsehgebühren zu entrichten. Von diesem büttelhaft mahnenden Halali, das ungebeten in die Privatsphäre eindrang, fühlte man sich doch einigermaßen belästigt und unangenehm berührt.
Diese vergessene Kombi aus Goldt und GEZ fiel mir wieder ein, als Max Goldt sich kürzlich dem Literaturbetrieb als „Mischung aus Ernst Jünger und Robert Walser“ antrug, als großer Verweigerer, dessen Ansprüche „extrem hoch“ seien: „Thomas Mann, Italo Svevo, irgend so was.“ Thomas Mann also, wie üblich, puuh. Der zu Tode kanonisierten Hier-triumphiert-der-Deutschlehrer-Literatur stellte Goldt sich hintan – obwohl doch Goldt ein Dichter ist, dem die Sprache unter anderem die lustige, Thomas Mann nur teilweise adäquate Metapher – ich zitiere – „spermarülpsende Arschfotze“ verdankt. Wie auch den Reim – ich zitiere abermals – „recken geil“ auf „weitgereistes Hinterteil“. Das hätte der Lübecker Klemmi nie gepackt. Aber Thomas Mann muss es halt sein im deutschen Kulturbetrieb. Wünschenswert wäre die Regelung, dass jeder, der Thomas Mann zur Ausstellung der eigenen Bedeutung im Munde führt, Thomas Mann auch lesen müsste. Da jede Seite Thomas Mann eine Schachtel Valium ersetzt, wäre es schon bald paradiesisch ruhig. Das Quackeldiquack im Feuilleton erstürbe, denn die Thomas-Mann-Fuchtler ersöffen im eigenen Mulm.
Goldts Anflanschen an Mann erinnert betrüblich an die Methode Biermann: Jahrzehntelang drängelte sich die Robbe als Nachfolger Heinrich Heines auf, bis der Betrieb endlich den Heini als Heine feierte. Diesem Beispiel tat es nun Max Goldt nach und hing sich den Fittis vom Feuilleton als Nachwuchsklassiker hin? Schrumpfte ein eigenwilliger Kopf zum x-ten Thomas-Mann-Imitator? Musste Felix Krull neu geschrieben werden? Vielleicht sogar unter Max Goldts richtigem Namen, Matthias Ernst? Rührte daher auch die späte Liebe zu Ernst Jünger? Und wenn schon Italo – musste es unbedingt Svevo sein? Hätte es der gute alte Italo-Western nicht auch getan? Spiel mir das Lied von der GEZ? Oder gleich Karl May: Der Schatz im Max-Goldt-See?
Ich lag so nett im Riecht-wie-ich, im Schnorchelparadies, im Bett / Als eine Stimme, ziemlich fett, mich kujonierte: Ge-Ee-Zett! / Ich war genervt und unwirsch, ich nöckte: Oh, quel Scheiß! / Die Stimme säuselte sonor: Schatz, ich bin’s, der Nobelpreis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen