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Archiv-Artikel

speichenbruch Eifrige Häscher

Lance Armstrong fühlt sich von einem Kartell verfolgt, im Grunde von der gesamten französischen Nation

Lance Armstrong hat sich am Mittwoch eine halbe Stunde lang mit Jean-Marie Leblanc unterhalten, dem Direktor der Tour de France. Man sprach über die Erschütterungen, von denen der Radsport seit den Dopingvorwürfen gegen den siebenmaligen Gewinner der Frankreich-Rundfahrt heimgesucht wird. Armstrong klagte sein Leid. Leblanc signalisierte Verständnis. Man kann sich denken, in welche Richtung die Argumentation Armstrongs ging. Er habe nie Epo genommen, er sei unschuldig, alles sei ein Manöver der Welt-Antidoping-Agentur Wada, und er mag auch angedeutet haben, dass das französische Sportministerium dahintersteckt, ja, ganz Frankreich. „Hexenjagd, das ist nicht nur so schlagwortartig dahingesagt, man kennt ja meine Geschichte mit den Franzosen“, teilt Armstrong auf seiner Internetseite mit.

La Grande Nation ist ja spätestens seit seinem Jahre dauernden Etappenraub und unstillbaren Siegeshunger bei der Tour hinter dem Radler her gewesen. Und er hat ja einiges verknusen können, zum Beispiel, dass ihm übel nachgeredet worden sei, dass man seine Erfolge in Zweifel gezogen habe, wie er im Netz ausführt, aber dass seine Häscher nun eine „B-Probe“ aus den Tiefen des Kühlschrankes gezogen haben, das behagt ihm gar nicht.

Nun fragt sich Armstrong, wen er am besten verklagen soll. Das Kontrolllabor in Châtenay-Malabry, die Wada, das Sportministerium – oder vielleicht sogar Jean-Marie Leblanc. Denn was Armstrong am Folgetag lesen musste, fand er schlichtweg „lächerlich“. Leblanc hatte L’Equipe mitgeteilt, Armstrong habe „uns alle getäuscht“. Am Telefon hätte Leblanc nicht diesen Ton angeschlagen, verrät Armstrong, im Gegenteil, beide verabschiedeten sich freundlich.

Armstrong verkriecht sich nicht in diesen Tagen, in denen seine Karriere unter Vorbehalt steht. Er nimmt Termine wahr, mit dem Sponsor Powerbar etwa oder in der Teamzentrale von Discovery Channel. Angeblich hätten ihm seine Sponsoren brieflich zugesichert, zu ihm zu stehen. Zumindest für einen Geschäftspartner trifft das nicht zu.

Der texanische Versicherungskonzern SCA hat nicht erst die jüngsten Enthüllungen abgewartet, er weigert sich schon länger, Prämien für Tour-Siege an Armstrong auszuzahlen – eine stattliche Summe. Der Rennstall des Radprofis, US Postal, hatte sich gegen Erfolge seines Kapitäns versichert. 2004 erschien jedoch das Buch „L. A. Confidential“, in dem nahe gelegt wird, dass Armstrong Epo-Konsument gewesen sei. Die Versicherung verweigert seitdem die Auszahlung des Geldes. In Le Monde wird ein Anwalt von SCA zitiert: „Als er 2001 seinen Vertrag mit SCA schloss, hat er ein essenzielles Element verheimlicht: dass er 1999 gedopt hat.“ In dieser Sache droht Armstrong Ungemach, vor Sportgerichten wird er wohl nichts zu befürchten haben, weil die Rahmenbedingungen eines ordentlichen Dopingtests bei der Nachuntersuchung der Proben nicht gegeben waren. Es liegt jeweils nur eine B-Probe vor.

Es steht zudem die Frage im Raum, warum die Testergebnisse nicht anonym geblieben sind, da es sich offenbar um eine wissenschaftliche Untersuchung gehandelt hat. Armstrong fragt sich nicht ganz zu Unrecht, warum bei den zwölf positiven Proben – Armstrong wurden in L’Equipe sechs zugeordnet – nur sein Name an die Öffentlichkeit geriet, nicht aber die Namen der restlichen Sünder. Frankreichs Sportminister Jean-Francois Lamour sagte am Donnerstag diesbezüglich: „Ich weiß dank des Labors, dass es 1999 Epo-Fälle gab, aber diese Informationen stehen überhaupt nicht in Verbindung mit einem Namen.“

MARKUS VÖLKER