spargeraune: Künstliche Aufregung
Die neue Regierung hat sich noch nicht gebildet, und schon geistern Sparchimären durch die Stadt. Von einem 8-Milliarden-Sparpapier ist die Rede. Und von großer Empörung auf Seiten der Betroffenen: Lehrer, Kita-Personal, Familien, Vereine und selbst der Polizei. Die hat erst kürzlich vom rot-grünen Übergangssenat 13 Millionen zur Wahrung der Inneren Sicherheit erhalten. Da wäre es vor weiterer künstlicher Aufgeregtheit sinnvoll, erst einmal kritisch nachzufragen, ob es ernsthaft sein kann, dass die SPD im Alleingang die Polizei nun wieder zurechtstutzen will.
Kommentar von ADRIENNE WOLTERSDORF
Dass die CDU dem neuen Senat das Sparen nicht leicht machen wird, kann als sicher gelten. Doch wer jetzt gezielt querschießt, erweist mehr der Stadt als den Wahlsiegern einen Bärendienst. Umso mehr Nüchternheit scheint geboten, wenn es darum geht, sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Sparüberlegungen müssen rational diskutiert werden. Glaubt man der Finanzsenatorin, handelt es sich bei der 8-Milliarden-Giftliste eher um ein Problem der Indiskretion in ihrem Hause, denn um ein angestrebtes Sparpaket. Das geschickt lancierte Papier verrät ohnehin die Handschrift der Diepgen-Administration. Die SPD wäre also ziemlich schlecht beraten, dies als Vollkonzept zu verkaufen. Die Stadt braucht kein negatives Gießkannenprinzip, also gleichmäßiges Sparen in allen Bereichen. Berlin braucht eine grundlegende Strukturreform der Finanzen. Und die kann nicht aus den Portemonnaies der Familien und Sozialhilfeempfänger bestritten werden. Das, so sagt der Regierende Bürgermeister immer wieder, haben wir verstanden. Warten wir’s ab. Bis zur Vorlage ernsthafter Vorschläge lohnt die Erregung jedenfalls nicht. Jede neu gewählte Regierung sollte wenigstens die Chance erhalten, Versprechen einzulösen.
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