soundcheck:
Gehört: Erykah Badu im Stadtpark. Sie wollte es heiß und heilig. Wie die Bienenkönigin der Black Music durch ihr Konzert im Stadtpark stolzierte, das bewegte sich gekonnt zwischen den Koordinaten Eso-Workshop, Pin-Up-Show und freigeistlicher Andacht. Allein das Strohmantel-Outfit zu Beginn war Zeichen genug, dass es an diesem Abend nicht an großen Gesten und Accessoires mangeln würde. Dabei hatte Support Bilal die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Kaum 20 Jahre alt, sang, röhrte und zwitscherte sich das neue Wunderkind des Soul durch ein Verständnis von Musik, das sich gleichermaßen an Intuition wie am Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten orientiert. Er kann alles: vom retro-beherrschten NuSoul des neuen Jahrtausends über simplen Jazz-Funk bis hin zu den goldenen Gassenhauern der Motown-Ära. Das Problem war, dass dies noch nicht alle zu wissen schienen. Und so sang der etwas kurz geratene Stimmriese manchmal ein wenig verlassen vor sich hin und übte sich an manieristischen Vokal-Abenteuern.
Eine knappe Stunde später dann waren die Herzen auf Euphorie und Entertainment gestellt. Zuerst intonierte der zweistimmige Backgroundchor sein rituelles „Badu, Badu“, und dann überflutete die große Erykah Badu Hamburg mit einem immensen Kelch voll Liebe, Hoffnung und Wohlgefühl. Umgeben hatte sie sich mit einem enormen Hut, leicht zu wechselnden Kleiderteilen und einer Thermoskanne, aus der sie wahrscheinlich frisch aufgegossenen Yogi-Tee trank. Eine Profi-Performance. Einzig dass einige Programmpunkte nahezu identisch mit dem letztjährigen Auftritt gerieten, gab ein wenig zu denken. So befreite Badu ihre wohlgeformten Füße erneut ebenso gekonnt wie lasziv von ihren Bootsy Collins-artigen Plateaustiefeln und gab leider auch wieder ihren merkwürdigen Ausdruckstanz zum Besten. War das für den Weltfrieden gedacht, ihrem Sohn Tyrone gewidmet oder doch nur ein Geheimritual? Die Auflösung folgte gegen Ende dieses wunderbaren Abends: Als würde es nicht schon genug regnen in Norddeutschland, flehte die Badu den Himmel an, noch mehr Nass auf die Erde zu schicken. Als Dünger für das Leben, den Glauben und die Ganzheitlichkeit. So erfüllend kann Soul sein. OLIVER ROHLF
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