: sommerkrimi
Letzte Folge
In seiner eigenen Wohnung in Eimsbüttel hatte Khalil Kawas seine hochschwangere Frau Aischa und sein zweieinhalbjähriges Mädchen ohne irgendeine Begründung zurückgelassen und war untergetaucht. Aber es gab keinen Zweifel mehr. Khalil Kawas war der Mann, der Novitzki besucht hatte. Seine Fingerabdrücke waren identisch mit denen in Novitzkis Wohnung. Die Frage war nur: Warum hatte er Novitzki besucht? Und die Frage war auch, ob Novitzki bei Khalils Eintreffen schon tot war oder nicht.
Pieter Lund hatte inzwischen den vierten Campari-Orange. Er würde mit der Taxe nach Hause fahren. Vielleicht wollte Daplano noch in die Havanna Bar kommen. Aber nicht vor Mitternacht. Willi hatte außer seinem Hotelbett, dem Präsidium und den Terroristen-Wohnungen noch nichts von Hamburg gesehen.
Lund blickte in die Runde. Nur Schickis hier. Die meisten Hohlköpfe, die Papas Geld verjucken. Und er mittendrin. Wahrscheinlich war er auch so einer, wollte es bloß nicht wahrhaben. Nur mit Papas Geld, das war wohl nix. Eric Lund, dieser elende Altfreak! Wo war der wohl inzwischen abgeblieben? Als der sich verpisste, war der kleine Pieter gerade mal 10 Jahre alt. Eric Lund aus Amsterdam. Verheiratet mit der erst neunzehnjährigen Heike Wohlrabe aus Hamburg. Wegen dickem Bauch. Mit dem kleinen Pieter drin. Irgendwann hatte es damals alles nicht mehr zusammen gepasst. Die lange, gezopfte Matte, die ewigen Mokassins, der billige Indianerschmuck und dieser kleine, nervige Junge, der ihn nie in Ruhe lassen konnte. Wo es doch überall so viele Shit-Pfeifen gab, und so viele blöde lächelnde Indianer-Mädchen, von denen er um nichts in der Welt eine auslassen durfte, bevor er in die ewigen Jagdgründe einging. Also ab, Eric Lund aus Amsterdam! Zurück nach Holland. Zu Jango Edwards und Ajax. Hermann Brod spielen. Oder was weiß ich. Letztes Jahr ist deine erste Squaw gestorben, Eric Lund. An Brustkrebs. Du warst nicht einmal bei ihrer Beerdigung. Und was hast du erreicht, mit deiner Indianerspielerei? Wusstest du denn nicht, dass die Geschichte sich niemals wiederholt, es sei denn als Farce, Eric Lund? Das hat dein alter Freund Karl Marx gesagt. Du warst die Farce, Eric Lund! Auch du hast die Welt nicht neu erfunden. Dein Volk hatte viel zu wenig Indianer, und zu viele Häuptlinge. Wenn Khalil Kawas seinen alten Pakistan-Kumpel Novitzki erschlagen hatte, dann war der Spuk vorbei. Den würden wir nie wiedersehen. Aktendeckel zuklappen. Servus.
Hier endet der Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen. Der vollständige Kriminalroman erscheint heute bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro; Lesung (mit der Band Rotenbek Trio, die im Roman eine Rolle spielt): 12.9., 20 Uhr, Lola, Lohbrügger Landstraße 8© Edition Nautilus
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