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so fiel ich unter die frauen von WIGLAF DROSTE

Adoleszenz in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren war heftig: Es gab so viel zu entdecken, aber fast alles war verboten. Seltsame Bücher bekam ich geschenkt, von strengen Frauen: Aus dem Groschenroman „Der Tod des Märchenprinzen“ erfuhr ich, dass es ein Kapitalverbrechen ist, in eine Frau nicht verliebt zu sein, wenn sie das aber doch so gern hätte. Märta Tikkanens „Wie vergewaltige ich einen Mann“ war Pflicht, und als besonders qualvoll erwies sich die Lektüre des Lebenskrisesozialwurschtelwerkes „Lé und die Knotenmänner“, einer Anklageschrift in staatsanwaltlichem Tonfall: Eine Frau namens Lé, selbstredend grundgut, scheitert an den Knotenmännern, die so heißen, weil sie eben verknotet sind, seelisch gesehen, weshalb die arme Frau ihrem Leben ein Ende macht. Die allein wichtige Schuldfrage ist von vornherein geklärt: Schuld ist der Mann, an allem, sowieso.

Ich lief mit Schuldschuhgröße tausend durch die Welt. Weiblichkeit, das wurde mir – allerdings nur theoretisch – beigebogen, war etwas Schönes und Zartes, auch Wildes. Großartig, vielschichtig und voller Tiefe war die herrliche weibliche Sexualität, die allerdings aus dem Munde mancher Protagonistin mehr nach Sexualitääterää! klang. Ebenso felsenfest stand das abgrundtief Miese des männlichen Sexuals: verkümmert und gewalttätig war das Zeug, eine Strafe für jede Frau. Erektion war die heimtückische Vorbereitung von Penetration – und Penetration war Gewalt, von Haus aus. Jeder Mann war ein potentieller Vergewaltiger, dem ein kläffendes „Wir kriegen euch alle!“ als Schrift an die Wand gemalt war, ge-i-tüpfelt von der interessanten Forderung: „Sexisten raus!“

All dies gefiel mir nicht. An die Wunder der Weiblichkeit glaubte ich gern; dass aber die Sensationen des Lebens geschlechtsspezifisch so einseitig verteilt sein sollten, wollte mir nicht in den Kopf. Ich ging auf Distanz. Frauen hinterherzulaufen war unwürdig – ich hatte genug Männer scheitern sehen bei ihren rührenden wie peinlichen Versuchen, Frauen gefallen zu wollen. Nicht einmal das Menschenrecht auf zügiges Einschlafen nach dem Geschlechterverkehr hatten sie sich erkämpfen können – sie waren unbegehrte, geduldete Knechte, deren Frauen noch schlecht über sie sprachen und von hartem, schnellem, schmutzigem Sex schwärmten, den sie allerdings nicht mit ihren Domestiken haben wollten, o nein. Falls aber die Domestiken einmal aufbegehren sollten, wurden sie mit dem anklagendem Timbre der Getretenen und Geschlagenen daran erinnert, dass sie Täter seien, Täter, jawohl – wobei die Tat nicht näher beschrieben werden musste, der vage Vorwurf allgemeiner Täterschaft war sich selbst vollkommen genug.

Von Frauen lernen heißt siegen lernen: Hast du Kummer? – Opfernummer! Ich begann, auf dem Ticket des verfolgten Opfers zu reisen, das von der prickelnden Schönheit des Sexuellen ganz vorsichtig, sensibel und sansohaft sensitiv überzeugt werden muss. Und siehe: Seitdem ich das tue, sind die Frauen so derartig freundlich zu mir, dass es mir manchmal schon unheimlich wird.

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