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Archiv-Artikel

silke burmester No sex, no drugs, no n-tv

Gestern unterstützte n-tv jene Zuschauer, die sich zum Jahreswechsel das Rauchen abgewöhnen wollten, mit dem „ersten Nichtraucherseminar im Fernsehen“. Wehret den Anfängen! Man stelle sich vor, was die Apostel des besseren Lebens uns demnächst noch alles telegen verbieten werden wollen

n-tv hat schon wieder alles verdorben.

Kaum hat das neue Jahr begonnen, man hat sich noch gar nicht richtig eingegrooved, kommen die mit so einer moralisch integren, gesundheitspolisch-Bessermensch-Aktion wie dem „ersten Nichtraucherseminar im Fernsehen“. Drei Stunden kostbarer Sendezeit werden dafür verbraten, aus selbst verschuldeten Abhängigen selbstbestimmte, nikotinfreie Menschen zu machen, die, wenn sie es erst mal geschafft haben, dem Gift abzuschwören, immer mehr nikotinfreie Zonen für sich fordern werden. Am besten im Fernsehen. Am besten gleich amerikanische Verhältnisse schaffen.

Keine Rauchszenen im Fernsehen oder Kino, und wenn, dann nur unter größtmöglicher Rechtfertigung der Verantwortlichen, die inhaltliche Notwendigkeit betreffend. In einem Drama über Krebs vielleicht.

Ein tolles Seminarfeld, das sich n-tv da eröffnet hat, gibt es doch noch genügend Laster, die dringend auf die schwarze Liste gehören.

Trinken zum Beispiel. In „Dallas“ gab es J.R.s obligatorisches Whiskyglas, an dem er sich darstellerisch von Szene zu Szene hangelte, wie Tarzan an der Liane durch den Urwald. Heute ist selbst „Verbotene Liebe“ so angelegt, dass kaum ein Darsteller oberhalb der 38 Jahre ohne alkoholisches Getränk auskommt.

Auch Autofahren gehört unbedingt dazu. Umweltmäßig totaler Mist, voll gefährlich und im Fernsehen immer viel zu schocke dargestellt, verdirbt es komplett die männliche Jugend in ihrer Selbstwahrnehmung.

Oder Völlerei. Ist auch nicht schön und sollte schon im Sinne der Kirche unbedingt auf die schwarze Liste genommen werden.

Gleichfalls inhaltlich neue Wege weisend könnte ein Fernsehseminar zum Thema Fluchen sein: „Endlich Nichtflucher – n-tv hat mir geholfen“.

Oder Sex. Ist ja auch immer mal wieder in der Diskussion, nicht so gut zu sein oder den Charakter zu verderben.

Aber Sex? Da könnte Premiere gleich einpacken, jetzt, wo die Abonnentenrate dank der Pornoausstrahlung endlich steil steht. Und außerdem muss man nun mal an die vielen Nichtraucher ab dem 2. Januar 2004 denken. Wenn die, nervös und unausgeglichen, nicht wissend, wohin mit den zigarettenlosen Fingern, nun nicht einmal mehr fummeln dürfen, dann werden die das restliche Jahr ganz schön am Rad drehen. Und dann müsste flugs noch ein ganzes Paket von Entspannungssendungen auf den Markt geworfen werden.

Eigentlich ein perspektivenreiches Jahr für n-tv.