piwik no script img

serieDie Rolle der Nebenrollen

In „Wolf Hall“ wird englische Geschichte aus Sicht des Königsberaters Thomas Cromwell erzählt

Thomas Brodie-Sangster als Diplomat Rafe Sedler in „Wolf Hall“ Foto: Playground Television UK

Kurz vor seiner Hinrichtung entflieht Thomas Cromwell der Realität. Er, einer der wichtigsten Berater von Heinrich VIII., ergibt sich seinen Träumen, in denen er in ein sonnendurchflutetes und nach Thymianhonig duftendes Kloster flieht. Hier will er seinen Lebensabend verbringen, weit entfernt von politischen Intrigen und Gewalt.

In der Fernsehserie „Wolf Hall“ wird dieser Cromwell genau nachgezeichnet. Er ist bei Tag und im Umgang mit anderen politischen Spielern einer, der hart und taktisch vorgeht. Bei Nacht und im Gespräch mit Frauen aber wird er zu einer zarten und gottesfürchtigen Figur.

Gerade ist die zweite Staffel von „Wolf Hall“ auf Arte zu sehen. Die Vorlage der Serie stammt von der 2022 verstorbenen Hillary Mantel, die als Neuerfinderin des historischen Romans gefeiert wird. In ihrer Geschichtstrilogie hat sie eben nicht Heinrich VIII. ins Zentrum des Geschehens gerückt, sondern besagten Thomas Cromwell. Insbesondere die Darstellung des innigen Verhältnisses zu Cardinal Wolsey ist hier auffällig.

Nicht unwahrscheinlich, dass dies biografische Hintergründe der Autorin hat: Cromwell, Wolsey und Mantel vereint die prekäre Herkunft und Kämpfe gegen elitäre Beziehungsnetze. Den Figuren Cromwell und Wolsey gelingt ein brillanter politischer Aufstieg und auch Mantel erreicht ihn, wird 2014 zur Dame ernannt und erhält als erste Frau zweimal den renommierten Booker Prize.

Ein Leitmotiv der Serie und Kennzeichen für Mantels Werk ist das Verschwimmen der Grenzen von Leben und Tot. So arbeitete Mantel bis zu ihrem Lebensende an einer Bearbeitung von Jane Austens Roman „Stolz und Vorurteil“. Auch hier sollte eine Nebenfigur die Erzählperspektive bestimmen. Der angedachte Titel „Provocation“ könnte auf Mantels Gesamtwerk passen.

Marie-Sofia Trautmann

Wolf Hall“, Staffel 2, Arte-Mediathek

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen