schwarze taz: Die kriminelle Comedie humaine des Krimiautors Bill James
Panikralph will den ganzen Kuchen
In 17 Jahren und 17 Büchern hat Bill James ein Kriminalepos geschaffen, das sich in seiner ausufernden Einzigartigkeit nur mit dem literarischen Universum seines Krimikollegen Ed McBain vergleichen lässt. James’ Romanzyklus um die Polizisten Colin Harpur und Desmond Iles, die in einer namenlosen englischen Stadt für Ordnung sorgen müssen, handelt von den Leidenschaften und Perversionen, die Gangster wie Polizisten motivieren, und von den daraus resultierenden Verwicklungen.
Ebenso wichtig wie seine beiden Hauptfiguren sind dem Autor die Kriminellen. Ihr Innenleben, ihre oftmals verquere Privatmoral und der Ehrgeiz, der sie antreibt, stehen im Mittelpunkt des soeben erschienenen Romans „Rivalen“, der im Original den schönen Titel „Panicking Ralph“ trägt. Ralph Ember ist Besitzer eines Nachtclubs namens „The Monty“ und im Grunde ein zufriedener Mensch: Die Geschäfte florieren, die Töchter gehen auf teure Schulen, die Geliebte weiß, wie sie ihn beglücken kann. Alles könnte so bleiben, aber Panikralph, wie er wegen seiner gelegentlichen Angstanfälle genannt wird, will das gesamte Drogengeschäft seiner Heimatstadt unter Kontrolle bringen. Zu diesem Zweck schließt er, der gerade auf seinen Magister in Geistes- und Religionswissenschaften hinarbeitet, Zweckbündnisse mit lokalen Kleinkriminellen.
Doch auch andere wollen nicht nur ein Stück, sondern den ganzen Kuchen. Und so gerät Ralph plötzlich in Panik, als er nach einem Rendezvous in einer müllverseuchten Bucht am Meer von zwei Killern verfolgt wird. Es sind Profis, das merkt er gleich. Dennoch gelingt ihm die Flucht. Nur seine Geliebte muss er als Kugelfang zurücklassen.
Detective Chief Superintendent Harpur und Assistent Chief Constable ist ziemlich klar, was da am Strand passiert ist. Sie können sich auch denken, aus welchem Grund Ralph Ember zur Zielscheibe wurde: Seit dem Tod des Drogenbosses Kenward Knapp herrscht in dessen ehemaligem Herrschaftsbereich ein Vakuum. Verschiedene rivalisierende Kriminelle wollen es einnehmen.
Harpurs und Iles’ sendungsbewusster Chef Mark Lane möchte die Gelegenheit nutzen und dem ganzen Drogenspuk für immer ein Ende bereiten. Seinen abgebrühten Untergebenen ist allerdings klar, dass sie bestenfalls einen zeitlich begrenzten Teilerfolg haben können. Dennoch legen sie sich einen fiesen Plan zurecht, um die Gangster aufzumischen: Sie steigen hinab in den kriminellen Morast und beteiligen sich an der Neuaufteilung der Drogenpfründe.
In Bill James’ krimineller Comedie humaine vermischen sich die Grenzen von Recht und Unrecht bis zur Unkenntlichkeit. Der psychisch labile Gangsterboss Ralph Ember agiert in seinem Geschäftsbereich wie ein normaler Geschäftsmann, der seine Mitbewerber ausbooten will. Der ins Blaue hinein moralisierende Polizeichef Mark Lane hat jede Verbindung zur Realität verloren, während seine Untergebenen Harpur und Iles Mühe haben, an den Sinn ihrer Mission zu glauben. „Mein Ziel ist, die menschliche Seite von Polizisten und Gangstern zu zeigen und sie nicht nur als Repräsentanten des Guten und Bösen zu benutzen. Auf diese Weise rücken sie auf der moralischen Messlatte ein ganzes Stück weit zusammen“, schrieb Bill James anlässlich der Publikation von „Rivalen“. Darüber hinaus verfügt er über einen beißenden Humor und hat nichts gegen Lacher aus dem Publikum.
ROBERT BRACK
Bill James: „Rivalen“. Aus dem Englischen von Gerold Hens. Rotbuch Verlag, Hamburg 2002, 286 Seiten, 19 €
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