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Archiv-Artikel

schwabinger krawall: rätselhaftes brummen von MICHAEL SAILER

Frau Hammler kann seit tagen nicht schlafen, weil sie einen geheimnisvollen brummton hört. Vielleicht komme das vom u-bahn-bau, mutmaßt sie. Eine u-bahn werde derzeit nicht gebaut, sagt ihr mann, wenigstens nicht in Schwabing, da passe gar keine mehr hinein. Dann eben einer von diesen tunnels, insistiert sie, die die CSU durch ganz Bayern graben wolle. Blödsinn, sagt herr Hammler. Aber der brummton bleibt; nachts wälzt sich frau Hammler im bett und stöhnt. Ihr mann stöhnt auch, obwohl er keinen brummton hört und vielmehr einen chronischen hitzschlag oder etwas typisch weibliches vermutet.

Frau Reitinger hat frau Hammler erzählt, von einem solchen brummton seien in Schwaben tausende betroffen. Es sei erwiesen, dass es sich dabei um außerirdische handle. Außerirdische gebe es nicht, sagt herr Hammler, außer denen, die vom mond zurückkommen, und das seien ganz normale leute, die in tüten biseln und tubenzeug essen, aber bestimmt keinen brummton absondern, den man noch in Schwabing hören kann. Seine frau ist nicht überzeugt. Es werde sowieso alles immer verrückter; erst neulich habe ihr der kleine Fritzi aus dem dritten stock erklärt, er werde sich jetzt klonen lassen, weil er dann nicht mehr selber in die schule gehen muss, sondern zum baden fahren kann. Im radio höre sie auch immer merkwürdige botschaften, und wenn dann noch der brummton komme, möchte sie sich am liebsten nackt ausziehen und auf die straße rennen, weil sie nicht mehr aus noch ein wisse. Er werde jetzt wahnsinnig, brüllt herr Hammler. Im radio ertöne keine botschaft, sondern musik, die sich halt geändert habe in den letzten 30 jahren, und sie sei schon so weit, dass sie sich von kindern märchen erzählen lasse und den mist auch noch glaube, und jetzt gehe er zum stammtisch.

Das solle er ruhig tun, schreit frau Hammler. Er werde schon sehen, wo er hingerate, wenn er sich in zeiten, wo man ständig mit 40 grad und einem torrago rechnen müsse, mittags besaufe. „Das heißt tornado!“, schreit herr Hammler und schaltet den fernseher an, in dem eine talkshow mit menschen läuft, die unerklärliche geräusche hören. Sie solle halt beim fernseh anrufen, um sich vollends lächerlich zu machen! Frau Hammler ruft tatsächlich beim fernseh an. Dort erklärt man ihr, das thema sei „durch“. Ob sie nicht eine homoerotische sexbeziehung mit einem haustier oder so was vorzuweisen habe. Frau Hammler möchte schreien, tut es aber nicht, weil der brummton wieder anschwillt und sie den nicht verpassen darf.

Vielleicht ist der schlafmangel übermächtig geworden; jedenfalls schläft sie ein und durch, bis zum nächsten vormittag. Nachdem sie erwacht ist, dauert es eine weile, bis ihr auffällt, dass sich etwas verändert hat: Der brummton ist verstummt. Später wird sie in der küchenschublade das rührgerät finden, das ihr jemand zu weihnachten geschenkt, das sie aber nie benützt hat, weil der schneebesen praktischer ist. Wie es geschehen konnte, dass es sich von selbst eingeschaltet hat, ist egal; jetzt aber sind die batterien leer, und dass frau Hammler ab und zu trotzdem noch über einen brummton klagt, liegt daran, dass sie sich ein bisschen schämt.