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Archiv-Artikel

schwabinger krawall: frieden und mittelscharfer senf von MICHAEL SAILER

Gegen diese Sicherheitskonferenz, verkündet Herr Herrnberger, sei er ganz und gar: Die Amis wollten nur an neue Ölquellen, damit hernach das Benzin teurer werde! Das könne er sich als mittelständischer Bauunternehmer hinten und vorne nicht leisten, und deshalb werde er, obwohl so etwas sonst nicht seine Gewohnheit sei, demonstrieren gehen.

Ausgerechnet er, entgegnet der Hausmeister Kellermann vom Nebentisch, werde aber doch nicht mit der Gewerkschaft demonstrieren wollen.

Selbstverständlich nicht, tönt Herr Herrnberger, hernach sei da einer dabei, der heimlich für den Kündigungsschutz demonstriere. Es gehe nicht an, dass er sich mit so etwas gemein mache. Deshalb werde er nicht zum Königsplatz gehen, sondern zum Odeonsplatz. Soviel er wisse, lacht Herr Kellermann, demonstriere eben am Odeonsplatz die Gewerkschaft, aber er könne ja zum Marienplatz gehen und mit den Punkern vom schwarzen Block demonstrieren, die alle aussehen wie schwule Nazis.

Er habe gehört, mischt sich ein Gast mit Krawatte ein, der am Tresen eine Wurst verzehrt, es gebe auch verschiedentlich Extrademonstrationen einer pazifistischen Initiative, eines Milbertshofener Arbeitersportvereins, der Rathaus-PDS sowie kirchlicher Gruppen, wo sogar Leute von der CSU dabei seien. Herr Kellermann, der seit dem frühen Nachmittag am Zechen ist, grölt, das sei im Grunde dann auch ein schwarzer Block; wenn sich die bloß nicht in die Quere demonstrierten!

Herr Reithofer, der bisher still in sein Feierabendbier geschaut hat, meint: Er täte höchstens gegen die ganzen Demonstrationen demonstrieren; weil das aber zu Missverständnissen führen könne, lasse er es bleiben – und alle anderen am besten auch. Das sei ein reaktionäres Gequatsche, hört man aus der Ecke, wo die Studenten Schafkopf spielen, und eine weibliche Stimme keift, wer die neoimperialistische Militärpolitik unterstütze, demonstriere damit nur seine verkorkste Sexualität. Herr Reithofer schreit, er diskutiere nicht mit Straftätern.

Die Brummelstimme des Wirts meldet sich zu Wort: Man möge sich nicht aufregen, schließlich gehe es um den Frieden, das sei doch etwas Gemeinsames. Er habe, brüllt Herr Kellermann, mit schwulen Kommunistennazis, die den lieben langen Tag in der Kneipe herumgammeln, anstatt zu arbeiten, nichts gemeinsam. Der klassenfeindliche Blutsauger solle die Luft anhalten, brüllen die Studenten zurück. Das sei der Gipfel der Respektlosigkeit, brüllt der Wurstverzehrer. Wenn keine Ruhe werde, werfe er alle miteinander hinaus, brüllt der Wirt. Da sei er ihm gern behilflich, brüllt Herr Reithofer.

Als endlich die Polizei eintrifft, ist der Sachschaden erheblich, doch sind zum Glück außer eingezogenen Spreißeln und etwas mittelscharfem Senf im Auge des Bauunternehmers Herrnberger keine Verletzungen zu beklagen.

Beim Frühstück blickt Frau Reithofer von ihrem Zeitungsteil auf und fragt ihren Mann, ob er etwas von einer unangemeldeten Demonstration bei seiner Stammkneipe wisse. Herr Reithofer grummelt, er wolle von überhaupt gar nichts mehr etwas wissen, und schweigt für den Rest des Wochenendes.