schurians runde welten : Gedungene Spielsklaven
„Auch eine so top besetzte Mannschaft wie Madrid ist keine Maschine, die Spieler sind keine Roboter.“ (Stefan Reuter)
Auf seine letzten beiden Spieltage für Borussia Dortmund wird Stefan Reuter rührselig: Der Weltmeister von 1990 schönt die Geschäftsgrundlage des Fußballs, Lieblingssport der Industrialisierung: Ein Team sei keine Maschine, ein Spieler kein Roboter – Unfug.
Rückblende: Fußball schaffte es zum Topsport in der Hochzeit des Manchester(!)-Kapitalismus. Bis heute symbolisiert das Spiel die Industriegesellschaft: Arbeitsteilung und Vermassung. Erst in England, dann nach dem Ersten Weltkrieg auch in Deutschland wurde der Fußballplatz zum Lieblingsort der Arbeiter: Eine Verlängerung der Schicht, ob am Zaun oder als Ausputzer.
Aus dem Kick wurde ein Wettbewerb nach Marktregeln, die nur den belohnen, der erfolgreich ist. Und klar wurde, eine Mannschaft ist nur so gut wie ihre Einzelteile – und umgekehrt. Fordistische Stoppuhren rationalisierten Arbeitsabläufe, im Fußball entstanden Trainingslehre und Ballmaschine.
Facharbeiter stellten in der Produktion bald eine Arbeiteraristokratie. Das sportive Gegenstück: Der gut bezahlte Fußballstar. Wie ein Rekordhauer sicherte er sich Privilegien, zu melden hat er nichts. Bis heute rasselt dazu soziales Schmiermittel: „Mein Tor freut mich für die Mannschaft“. Nun aus Reuter.
Dass es sich bei Fußballern sehr wohl um Roboter handelt und bei Mannschaften um Maschinen, mag Paul Freier zeigen:
Das talentierte Ziehkind von Enatz Dietz, einst Amateurtrainer des VfL Bochum, unterschrieb vor ein paar Jahren bei Enatz Freund Norbert Pflippen einen Beratervertrag. Als Freier bei den Profis einschlug, zierte ein zweites Schriftstück seine Unterschrift: Ein Vorvertrag mit Bayer Leverkusen, der zum Tragen kommt, wenn der Vertrag mit dem VfL Bochum 2005 endet. Oder früher: Weil Bochum für Freier gerne Geld bekommen will, möchten sie den Nationalspieler schon jetzt an Leverkusen verkaufen. Da aber Bayer auch nicht mehr auf Rosen gebettet ist und der Nationalspieler ein schwache Saison spielt, will der Werksclub wenn überhaupt nur wenig Geld bezahlen. Das Hick Hack kann dazu führen, dass Freier ein Jahr in Bochum bleibt, aber nicht mehr spielen darf, weil die Bochumer Vereinsführung samt Trainer Peter Neururer mächtig sauer sind. Roboterhaft. CHRISTOPH SCHURIAN