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schnittplatz„Für Momenteder Nähe“

Seifenopern heißen Seifenopern, weil die Pausen zwischen zwei Werbeblöcken mit Handlung gefüllt werden müssen. Bei Formaten wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ etwa geht das Konzept auf: Konfektionierte Knallchargen locken ein entsprechendes Publikum vor den Bildschirm, die „werbetreibende Industrie“, wie es so schön heißt, holt sie dort ab. Bei „Big Brother“ klappte das das bisher nicht so richtig: Zwar ist die Grenze nur hauchdünn, die die Insassen des „Big Brother“- von denen des „Verbotene Liebe“-Studios trennt – allein, in diesem Umfeld nach Kunden zu fischen, das war den Werbetreibern bisher zu gefährlich.

Langweilig war’s jedenfalls nicht: Die Kandidaten inszenieren sich selbst, doch das tun sie seit Jahren wahrscheinlich auch in ihrem Alltag. Weshalb sollte hier auf einmal Menschenwürde geschützt werden, wo doch selbst die entfesselten Fratzen pekuniärer Geilheit in der „Lotto Show“ völlig schutzlos sich selbst, ihren eigenen menschlichen Reflexen ausgeliefert sind?

Eben jene Geilheit ist doch der Motor des Konsums, für den in Werbepausen getrommelt werden soll. Am letzten Dienstag endlich, nachdem die Landesmedienanstalten die sofortige Abschaltung erst einmal vertagt hatten, entstand der Eindruck, als sei nun der Damm gebrochen: Empfahl sich zuvor noch der Haushaltsreiniger Domestos mit einem süffisanten „Auch dort, wo niemand hinschauen kann“, so wirbt Jacobs Krönung nun selbstbewußt mit dem Satz: „Für Momente der Nähe“. Und macht deutlich, wie sich die „Industrie“ ihre Konsumierenden wünscht: Sie sollen Süßigkeiten und Kartoffelchips in sich hineinschaufeln, vielleicht auch Wurst von Gutfried. Zur Lektüre der Brigitte wird geraten, wahlweise darf’s auch die Bravo sein. Lidschatten und Lippenstift von L’Oreal („Weil ich es mir wert bin“), eine Seife namens Dove sorgt für Hygiene. Und falls mal einer der Jungs danebenpisst, bringt Ajax frischen Glanz. Soap eben. Abzappeln sollen wir anschließend auf eine Eurodance-Kapelle mit dem bezeichnenden Namen Zombie Nation – sogar der RTL-2-Spielfilmtrailer ist mit dem stumpfen Gepumpe des „Werbepartners“ unterlegt.

In diesem Umfeld wirbt übrigens auch ein Urlaubsland für seine klaren Seen und grünen Weiden. Es ist die hygienische, abwaschbare Zombie Nation Österreich. ARNO FRANK

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