schnittplatz : Angelsächsisches in Achselhöhlen
Auf Baustellen regiert der Boulevard: Bild dauert eine Frühstückspause und munitioniert seine Leser mit Gesprächsstoff für den ganzen Tag. Desgleichen in der U-Bahn, sei es in München oder Berlin: BZ, Abendzeitung, Bild, aber auch Süddeutsche und manchmal, wenn’s sozusagen hochkommt und die U-Bahn Richtung Uni fährt, die taz.
Ein völlig anderes Bild bietet sich beim Schlendern durch verglaste Abflughallen großer Flughäfen: Mit FAZ, SZ, Welt, Handelsblatt, Financial Times, oder der International Herald Tribune liegt hier alles aus, was sich die Globalisierung auf die Druckfahnen geschrieben hat. Wird in Achselhöhlen geklemmt, über den Wolken gelesen und landet endlich in den Papierkörben fremder Länder. Geschäftsleute, von ihren fusionierten Unternehmen um den Erdball gehetzt, sind die LieblingsleserInnen der Ruhmesblätter.
Eben jenen kommt nun die Frankfurter Allgemeine mit einem englischen, achtseitigen Best-Of-Zusammenschrieb entgegen, beigelegt der International Herald Tribune. Die so genannte „global class“ soll hier erreicht, die Internationalisierung des Pressegeschäfts forciert werden. Wäre „Dow Jones“ eine römische Sprachschöpfung, die FAZ würde ihre Seiten auf Latein publizieren.
Die Welt geht noch einen Schritt weiter, verweist auf sich selbst als „führende Stimme der deutsch-amerikanischen Beziehungen“ und lässt Salman Rushdie, Susan Sontag oder John Updike in der täglichen Feuilletonbeilage Atlantic Daily angelsächseln.
Nun markiert das Englische nicht nur Weltläufigkeit, es suggeriert vor allem relevantere Informationen über die „Ups“ und „Downs“ der Weltmärkte. Nach dieser Logik sollte über Putin gefälligst in kyrillischer Schrift, über die Knesset auf Hebräisch geschrieben werden. Eine Entwicklung, die von der taz mal wieder verschlafen wurde: Seit fünf Jahren liegt ihr Le Monde diplomatique bei – und wird, horribile dictu, jedes Mal übersetzt.
ARNO FRANK
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