schnittplatz: Stausee der Begehrlichkeiten
Anfangs wehte ein Hauch von ZDF-Hitparade durch die Münchner Georg-Elser-Halle. Kunstnebel und eine abwechselnd in blaues und lila Licht getauchte Bühne. Wahrscheinlich lag das aber hauptsächlich an der Musik von Michael Fitz. Eine Stunde lang spielte der Münchner Tatort-Kommissar am Tag vor dem heiligen Abend mit seiner Band. Zu hören gab es eine wenig erbauliche Mischung aus Peter-Maffay-Musik mit Reinhard-May-Texten. Später sagte sein Kollege Udo Wachtveitl: „Bedenken Sie bitte, dass alles was heute Abend auf der Bühne stattfindet, für einen guten Zweck ist. Das macht’s auch für Sie leichter!“
Bei dem guten Zweck handelt es sich um das mittlerweile dritte Benefizkonzert, dass die drei Münchner-Tatort-Kriminalen für den Verein „Hand in Hand“ veranstalten. Miroslav Nemec, alias Tatort-Kommissar Ivo Batic, gründete 1994 den Verein zusammen mit anderen Schauspielerkollegen. „Hand in Hand“ will Kriegswaisen in Ex-Jugoslawien ein neues Zuhause und neue Zukunftsperspektiven geben. Seit 1994 kamen über anderthalb Millionen Mark zusammen. Und auch dieses Mal war das Konzert ein Erfolg. Selbst bei Miroslav Nemecs Coversongs aus den Siebzigern konnte man erkennen, dass er nicht nur singen kann, sondern auch den einen oder anderen Aerobic-Kurs besucht haben muss: Selbstvergessen vollführte er die seltsamsten Bewegungen zu seiner Musik – mit mehreren Kabeln zwischen den Füßen. Auch sein Kollege Udo Wachtveitl drohte bei seinem Auftritt hin und wieder mit Bühnenaccessoires zu kollidieren. Mit Stücken wie „Stausee der Begehrlichkeiten“ oder „Good Night Ladies“ brachte er das erste Mal an diesem Abend Stimmung in die Halle, die nach seinem Auftritt nicht mehr so richtig aufkommen wollte, trotz Gastauftritten etwa von der „Mona Lisa“-Moderatorin Conny Hermann.
Nach dreieinhalb Stunden wäre es an der Zeit gewesen, die Show zu einem eleganten Ende zu führen. Doch Mirolsav Nemec ließ sich nicht von der Bühne fegen. Und so wurde die ganze Show am Ende doch noch, was sie nicht hätte sein müssen: Ein bisschen peinlich. Ältere Männer sollten es halt tunlichst vermeiden, sich bei Rockkonzerten mit Sonnenbrille und Lederjeans zu zeigen.
PHILIPP DUDEK
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