schmickler macht ernst : Horizont erweitert
WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz
Morgen, Kinder, wird‘s was geben, denn morgen ist Muttertag. Deshalb feiert die Mutter aller Kulturhauptstädte morgen ein riesiges „Fest der Nationen“: Morgen ist nicht nur Kultur-Sonntag, morgen ist Multi-Kultur-Sonntag. Dann präsentieren sich vor dem Kölner Rathaus die diversen ortsansässigen Ausländerstämme mit allem, was die jeweiligen Bräuche zu bieten haben: Tänze, Trachten, Speisekarten!
Da wird dann diatonisch gequetscht und andalusisch geklampft, da tanzen die tunesischen Bäuche und hellenischen Bratspieße, da zetert die iranische Zetar, da dudelt die mongolische Drahtharfe, da pfeift die kurdische Zwei-Finger-Flöte aus dem allerletzten Loch. Der Rathausvorplatz als multikulturelles Freiluftgehege mit allen folkloristischen Exoten, die das seit Ewigkeiten weltoffene Köln in seinen Stadtgrenzen toleriert. Ene Besuch im Zoo – oh-oh-oh-oh! Wie heißt es in der Bewerbungsschrift zur Kulturhauptstadt? „Fremdes wird hier in Köln traditionell nicht als fremd, sondern als Erweiterung des eigenen Horizonts verstanden.“
Wie unglaublich erweitert dieser kölsche Horizont inzwischen ist, davon konnte sich vorige Woche ein in Köln lebender Filipino ein eindrucksvolles Bild machen – und zwar vor Gericht. Da wurde er nämlich wegen „Beleidigung“ zu einer Geldstrafe von 450 Euro verknackt. Was war passiert? Nun, der bedauernswerte junge Mann, der seit Jahren in Köln als Koch arbeitet, hatte die Dreistigkeit besessen, mit einer Gruppe Schwarzafrikaner – gibt es eigentlich auch Weißafrikaner? – im Volksgarten zu feiern. Anschließend hat er sich auf sein Fahrrad gesetzt und ist durch den Park geradelt. Man stelle sich das vor: Ein Filipino radelt durch den Volksgarten! Logisch, dass da die Polizei einschreitet.
Und während der kriminelle Radfahrer von den Polizisten wegen seiner verwerflichen Tat zur Rechenschaft gezogen wird, taucht plötzlich so ein horizont-erweiteter Kölner auf, der sich später als Polizeibeamter in Zivil entpuppt, und mischt sich auf die typisch kölsche freundliche Art ein mit den Worten: „Geh doch dahin zurück, wo du herkommst. Hast du schon jemals einen Euro an Steuern bezahlt? In unserem Land hat man sich zu benehmen!“ Und was macht der dreiste Kriminelle? Anstatt sich so zu benehmen, wie es die Unseren in ihrem Land erwarten, also auf die Knie zu fallen und im Staub winselnd um Vergebung zu flehen, beschimpft der dahergeradelte Steuerhinterzieher den Hüter des guten Benehmens als Rassisten. Und das im toleranten, weltoffenen, supi-multi-kulturellen Köln. Da ist er mit 450 Euro Strafe noch gut bedient. Vor allem, weil er noch so frech war, seinerseits die Polizei anzuzeigen. Dieses Verfahren ist selbstredend ruck-zuck eingestellt worden. Mag ja sein, dass es hinterm Horizont noch weiter geht, aber irgendwo muss auch eine Grenze sein. Schönen Sonntag!