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salzloses blutbad in schottland von RALF SOTSCHECK

Das Elgin Park Guest House in Edinburgh ist eine ordentliche Pension. Jedenfalls war sie es bis zu meinem Besuch. Im Haus herrscht Rauchverbot, das Essen in den komfortablen Zimmern ist aus hygienischen Gründen verboten. Von Trinken ist allerdings nicht die Rede. So beschloss ich, nach einem arbeitsreichen Tag nachts noch ein Fläschchen Rotwein zu öffnen. Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Der Korkenzieher rutschte ab, die geöffnete Flasche fiel auf den grünen Teppich. Wenn man jetzt Salz hätte, aber wer reist schon mit einem Kilo Salz im Gepäck nach Schottland? Zum Glück gab es eine Schachtel mit saugfähigen Papiertüchern. Während ich den Teppich wienerte, beobachtete ich ungläubig, wie die Weinflasche den offenbar schiefen Resopaltisch hinabglitt, auf den Sessel rutschte und von dort erneut auf den Teppich fiel. Beim Aufprall schoss eine Fontäne Wein aus der Flasche.

Zwar war nur wenig Wein verloren gegangen, aber der hatte ganze Arbeit geleistet. Sessel, Teppich, Bettdecke, das blütenweiße Handtuch, selbst die Tapete, der Fernseher und mein Hemd waren nass und rot. Das Zimmer sah aus wie nach einem Blutbad. Ich versuchte es weiterhin mit den saugfähigen Tüchern, was aber völlig vergeblich war. Als ich die weingetränkten Tücher in der Toilette wegspülen wollte, stellte sich heraus, wie saugfähig sie tatsächlich waren. Sie quollen auf, sodass sie das Klo verstopften, das prompt überlief. Um zu verhindern, dass die Brühe ins Zimmer lief, baute ich mit dem Handtuch, das ohnehin schon versaut war, einen Damm, aber es nützte nichts. Ich betrachtete überrascht mein Zimmer, das innerhalb weniger Minuten völlig heruntergekommen war.

Um wenigstens den Weingeruch loszuwerden, wollte ich das Fenster öffnen, aber es ging immer wieder zu. So klemmte ich die Schachtel mit den restlichen saugfähigen Papiertüchern zwischen Fenster und Rahmen, doch das Fenster war stärker. Es zerdrückte die Schachtel und schubste sie in den Garten, wo sich die Papiertücher in der Hecke und auf den Blumenrabatten verteilten. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Aufwand ein gepflegter Garten in einen Schandfleck für das ganze Viertel verwandelt werden kann.

Ich kam mir vor wie das HB-Männchen kurz bevor es in die Luft geht, aber zur Zigarette konnte ich wegen des Rauchverbots nicht greifen. Also ging ich vor die Haustür und hörte mit Entsetzen, wie sie hinter mir ins Schloss sprang. Mein Schlüssel lag auf dem Zimmer. Nach einer Weile öffnete die Wirtin im Nachthemd. Sollte ich ihr gleich beichten, dass ich das Gästezimmer verwüstet hatte? Ich traute mich aber nicht und hoffte, sie würde nicht bemerken, dass ich ein rot gepunktetes Hemd trug.

Sie merkte es aber doch. Ich gestand alles. Nachdem sie das Schlachtfeld inspiziert hatte, sagte sie, dass sie gerade die Biografie des Led-Zeppelin-Managers gelesen habe, in der es ständig um zertrümmerte Hotelzimmer gehe. „Du bist wahrscheinlich auch Rockmusiker“, sagte sie im vollsten Brustton der Überzeugung.

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