piwik no script img

Archiv-Artikel

rosenquist, hirst etc. Platzende Blasen

Kein Koch, der auf sich hält, der heutzutage nicht schäumt. So auch Reinold Kegel, Küchenchef in der American Academy zu Berlin. Glücklicherweise beließ Kegel es beim Schaum, wie ihn der Documenta-12-Koch Ferran Adrià berühmt gemacht hat und servierte statt halber Sphären einfach Fisch. Obwohl die berühmten bunten Säckchen, Blasen und Halbkugelkörper aus der molekularen Küche, in denen sich undefinierbar schmackhafte Flüssigkeiten und Gelees verstecken, in Form und Farbe wunderbar zur Kunst von James Rosenquist, dem Altmeister der Pop Art, gepasst hätten. Ihm zu Ehren hatte der Direktor der American Academy, Gary Smith, am Freitagmittag zum Lunch geladen.

Wie am Abend dann bei der Eröffnung der „The Hole in the Center of Time“ betitelten Ausstellung bei Rafael Jablonka zu sehen war, explodiert auch in Rosenquists neuen Gemälden allenthalben die Kreisform der Uhr. Ihre Zifferblätter zerlaufen ähnlich wie bei Dalì zu seltsamen Pfützen, aus denen dann die Zeit herauszutropfen scheint, wie aus den Sphären der Brombeersaft.

Überhaupt sind ja die Themen zeitgenössische Kunst und platzende Blasen aufs Engste miteinander verquickt. Denn neben dem US-amerikanischen Wahlkampf sorgte beim Lunch der neuerliche Absturz der Sotheby’s-Aktie für weiteren Gesprächsstoff. Anlass des Kursrückgangs ist die Anfang nächster Woche anstehende Versteigerung von mehr als 200 Arbeiten des britischen Starkünstlers Damian Hirst. An den ihn vertretenden Galerien vorbei, ohne Garantiesummen des Auktionshauses, aber auch ohne Kommission für seine eingelieferten Werke zu bezahlen, hat es Hirst geschafft, im Direktverkauf veritable 223 Arbeiten, sämtlich aus dem Jahr 2008, für einen geschätzten Gesamtwert von 65 Millionen Pfund anzubieten. Außer mit einem in Formaldehyd eingelegten Goldenen Kalb füllt der Künstler nicht weniger als zehn Räume des Auktionshauses mit so niedlichen Fabelwesen wie Schweinen mit Flügeln, Einhörnern und Brillant-Schmetterlingen. Analysten fürchten allerdings, dass die Sache floppen wird. Der New Yorker Händler Asher Edelman sagte dem Finanzdienst Bloomberg: „Die Sache ist ganz einfach. Hirst wird scheitern.“

Aber vielleicht hat Meisterschocker Hirst bei der Auktion eigentlich eine Kunstperformance im Sinn? Auch diese Frage wurde ventiliert. Zumindest hätte Hirst eine gute Ausrede, wenn die Sache schiefgeht. Beim Problem, dass die Sotheby’s-Aktie seit letztem Jahr schon 60 Prozent ihres Werts verloren hat, hilft die Idee von der Performance allerdings nicht wirklich weiter. Ist der Boom des Kunstmarkts am Ende doch nur eine Blase? Die Hirst jetzt zum Platzen bringt? Besser also in den Sternennebel investieren, in den Rosenquist die explodierende Zeit entschwinden sieht. BRIGITTE WERNEBURG