piwik no script img

riot-tiereDie Bechstein­fledermaus

Eine seltene Fledermaus verhindert seit sechs Jahren den Weiterbau der A20 bei Bad Segeberg

Sie jagt wie ein Greifvogel: Steht mit schwirrenden Flügeln in der Luft, lauscht auf das Krabbeln eines Insekts am Boden und stürzt sich zum Schlagen der Beute abwärts. 25 Zentimeter Flügelspannweite, 14 Gramm Gewicht – die Bechstein-Fledermaus ist geballte Power. Seit 2012 verhindert das Tier, das auf der Roten Liste bedrohter Arten steht, den Weiterbau der A20 bei Bad Segeberg.

In den Höhlen des Segeberger Kalkberges, bekannt durch die sommerlichen Karl-May-Festspiele, überwintern Zehntausende Fledermäuse und machen damit die Höhle zu einem weltweit einzigartigen Schutzraum. In dieser flatternden Vielfalt sind die rund 500 Bechsteins nur eine kleine Gruppe. Eben weil die Tiere, deren natürlicher Lebensraum der Wald ist, so selten geworden sind, sei ihr Schutz umso wichtiger, sagt Tobias Langguth, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND): „Deutschland trägt in Europa besondere Verantwortung für die Bechsteinfledermaus, und Schleswig-Holstein ist innerhalb Deutschlands der größte Standort.“

BUND und Nabu klagten 2012 gegen den geplanten Trassenverlauf der A20, die als so genannte Ostseeautobahn von der polnischen Grenze durch Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein bis Niedersachsen führen soll. Bei Bad Segeberg sollte die Straße 1,5 Kilometer an der Kalkhöhle vorbeiführen. Tödlich für die Fledermäuse: „Sie fliegen bodennah – einer LKW-Front, die mit 100 Stundenkilometer heranrauscht, können sie nicht ausweichen“, sagt Langguth.

Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klage Recht. Erstens, weil die Planungsbehörden Alternativtrassen nicht ausreichend geprüft hatten, zweitens, weil ein vom Land beauftragter Gutachter nicht im Gelände unterwegs war, um die Fledermäuse zu zählen, sondern nur eine „Potenzialanalyse“ erstellt hatte. Das entspreche nicht „den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen“, so das Gericht, und verbot den Weiterbau.

„Seither stecken wir im Fehlerheilungsverfahren“, sagt Langguth. 2015 legten die Planer – das Land hat die Planungshoheit inzwischen an die Projektmanagementgesellschaft Deges abgegeben – neue Konzepte vor, zu denen wieder Nabu und BUND Stellungnahmen ablieferten. Weitere Gutachten sind in Vorbereitung. „Eine genaue Zeitschiene ist auch uns als Verfahrensbeteiligten nicht bekannt“, sagt Langguth. Für das dritte Quartal 2018 ist eine Expertenrunde geplant, ein Ergebnis könnte im Sommer 19 feststehen.

Durchaus möglich, dass Bechstein und Konsorten noch ein paar Jahre Ruhe vor der A20 haben. Esther Geißlinger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen