reflexion des gelernten: Vom Selbst- zum Fernstudium
Weiterbildung bei freier Zeiteinteilung und unabhängig vom Ort
Es begann mit einer Idee von Gustav Langenscheidt: 1856 gab der Verleger mit seinem Partner Charles Toussaint zum ersten Mal die „Französischen Unterrichtsbriefe zum Selbststudium Erwachsener“ heraus. Zwar waren diese Lehrmaterialien für das „Selbststudium“ deklariert, doch sie wurden von der Korrekturabteilung des Unternehmens durchgesehen. Damit war eine Reflexion des Gelernten möglich. Und diese Rückkopplung war das Entscheidende – der erste Schritt vom autodidaktischen Lernen zum Fernstudium war vollzogen.
Bevor ein Fernlernkurs zu einem universitären Abschluss führte, sollten in Deutschland allerdings noch über hundert Jahre vergehen. Während das Fernstudium in der DDR zu einem festen Bestandteil des Bildungssystems wurde (nicht zuletzt, um dem Wunsch nach sozialer Mobilität gerecht zu werden), fühlte man sich in der Bundesrepublik wegen der jüngsten NS-Vergangenheit zunächst vor allem dem humanistischen Bildungsideal verpflichtet. „Konkret hieß das: Aufwertung der humanistischen Gymnasien und Nachweis ausreichender Lateinkenntnisse vor dem Studium“, schreibt Christoph Ehmann in dem Buch „Fernstudium in Deutschland“.
Erst als im Rahmen der Bildungsexpansion der Siebzigerjahre deutlich wurde, dass die Kapazitäten der Hochschulen dem Andrang nicht standhielten, wurde – nach langen Diskussionen zwischen Bund und Ländern – auch in der Bundesrepublik das Fernstudium eingeführt. Der Vorreiter war dabei das SPD-regierte Nordrhein-Westfalen, wo 1974 mit der Fernuniversität Hagen die erste Einrichtung dieser Art eröffnet wurde.
Nach dem Mauerfall erlebt das Fernstudium einen gewaltigen Aufschwung: 2001 studierten über 150.000 Menschen im Fernstudium, 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Für viele ist das Fernstudium heute die einzige Möglichkeit, sich neben Beruf und Familie in freier Zeiteinteilung und unabhängig vom Ort aus- und weiterzubilden. Bei einem zeitlichen Aufwand von in der Regel 12 bis 15 Stunden in der Woche wird das Selbststudium der Fernlernmaterialien mit Präsenzphasen kombiniert – insgesamt macht der Unterricht vor Ort ein Viertel des gesamten Lehrumfangs aus.
Einen guten Überblick im Internet über die in Berlin und den fünf neuen Ländern angebotenen Fernstudiengänge bietet die Fernstudienagentur des Fachhochschul-Fernstudienverbunds der Länder (FVL): www.fvl-agentur.de. Bei der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU), die über die Zulassung von Fernlehrgängen entscheidet, kann der „Ratgeber für Fernunterricht“ bezogen werden: ZFU, Peter-Welter-Platz 2, 50676 Köln, Tel.: (02 21) 92 12 07-0, Fax.: -20, www.zfu.de
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