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"Weißes Papier hat seine Schattenseiten"

■ Chlorfrei gebleichtes Papier ist nicht so umweltfreundlich, wie Kunden glauben und Hersteller behaupten

Papier ist nicht so umweltfreundlich, wie Kunden glauben und Hersteller behaupten

Es gibt einen Stoff, den wir täglich brauchen. Er ist weiß, frißt 35 Millionen Tonnen Holz jährlich, verbraucht erhebliche Mengen Wasser und Energie und verschmutzt unsere Flüsse: Papier.

Papier ist ein Luxusgut: Seine Herstellung in Deutschland verschlingt doppelt soviel Holz wie die Baubranche. Natürliche Wälder werden weltweit vernichtet, statt dessen unnatürliche Holz-Monokulturen hochgezogen.

Das Gegenmittel heißt Recycling. Schon über 50 Prozent des in Deutschland produzierten Papiers werden aus Altpapier gewonnen — Tendenz steigend. Doch wer im Schreibwarenhandel zur Packung „umweltfreundliches Papier“ greift, erweist der Umwelt möglicherweise einen Bärendienst: Nur dort, wo Recycling draufsteht, ist auch Recycling drin.

Die Papierhersteller überschwemmen den Markt seit einiger Zeit mit chlorfrei gebleichtem Papier, das mit großem Werbeaufwand als „Umweltpapier“ angepriesen wird. Sein Vorteil: Es ist genauso strahlend weiß wie das herkömmliche Papier, ist aber mit Sauerstoff gebleicht und belastet daher das Abwasser nicht mit Chlorverbindungen.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Denn ganz so umweltfreundlich ist das weiße, chlorfrei gebleichte Papier nicht — im Gegenteil. Da es nicht aus Altpapier besteht, ist sein Verbrauch an Wasser, Energie und Holz bei der Herstellung genauso hoch wie bei den herkömmlichen chlorgebleichten Blättern. Auch die Abwasserbelastung ist trotz des Verzichts auf Chlor erheblich höher als bei echtem Recyclingpapier.

„Weißes Papier hat seine Schattenseiten — immer“, warnt daher die Werkstatt für umweltfreundliche Produkte (WUP) in Altona. Nur echtes Recyclingpapier schont konsequent die Umwelt.

„Aber in den Köpfen vieler Leute steckt immer noch die Vorstellung: „Weißheit gleich Sauberkeit“, sagt WUP-Mitarbeiter Jens Boy. In manchen Bereichen hat das chlorfrei gebleichte Papier das sinnvollere Recyclingpapier sogar wieder verdrängt.

Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. So gibt es Fälle, in denen „weißes“ Papier — am besten chlorfrei gebleicht — angebracht ist. Wo etwa eine hochwertige Bildwiedergabe verlangt wird, kann Recyclingpapier aufgrund seiner rauhen Oberfläche nicht mithalten. Sein Grauton führt zu verfälschten Farben.

Chlorfrei gebleichtes weißes Papier dagegen besitzt eine hohe Druckqualität und kann daher in Bereichen, in denen Altpapier un-

1brauchbar ist, immerhin einen Teilbeitrag zum Umweltschutz leisten. Spiegel und Stern etwa druckten bis vor kurzem noch auf chlorgebleichtem Papier. Seit Greenpeace vor zwei Jahren mit der — chlorfreien — Spiegel-Kopie „Das Plagiat“ bundesweit für Aufsehen sorgte, verzichten viele Verlage auf

1Chlor.

Weißes Papier ist (noch) nicht ganz ersetzbar. Auch der Altpapierkreislauf braucht ständig eine gewisse Zufuhr von „Frischfasern“, um überhaupt funktionieren zu können. Grundsätzlich aber gilt: Der Weisheit letzter Schluß ist grau. Uli Mendgen

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