: "Liebe taz..." Lehrstück - betr.: Vorverurteilung eines jungen rumänischen Geigers, der unter Verdacht stand, einen Überfall auf eine Musik-Professorin angestiftet zu haben
Einseitige Ermittlungen? Bericht über die Vorverurteilung eines jungen Geigers, der unter Verdacht stand, einen Überfall auf seine Musik-Professorin angestiftet zu haben, taz 12.2.
Das Entsetzen in Verbindung mit dem als „Stradivari-Mord“bekannt geworden Fall will nicht abreißen. War es erst die unfaßbare Bluttat, so waren es dann die Presseberichte, daß ihr eigener Schüler zur Tat angegestiftet haben soll, und nun daß sich der Tatverdacht gegen den damals massiv beschuldigten jungen Geiger als eine böse Luftblase herausstellt. Was bleibt, ist eine beispiellose Vorverurteilung, sowohl von den Ermittlungsbehörden als auch von den Medien. Wie kommentierte doch der Kripobeamte Wolfgang Rau die vermeintliche Anstiftung zur Tat damals gegenüber der Presse? „Undank ist der Welt Lohn!“Selbst ein Ermittlungsbeamter maßte sich hier an, ohne Geständnis, ohne schlüssige Beweise den Richter zu spielen. Und die Presse, allen voran die Bildzeitung stoßen ins gleiche Horn. „Ihr Lieblingsschüler plante den Raub“titelte das unsägliche Blatt. Keine Rede war bei der Pressekonferenz davon, daß schon die erste Anschuldigung des Täters, Marim B., voller nachweislicher Lügen war, erst jetzt dringen nach und nach die haltlosen Beschuldigungen nach außen. Es ist ein Skandal, daß die Kripo so vorschnell den jungen Mann als Anstifter der Öffentlichkeit vorführte, und es ist ein noch größerer Skandal, daß der Inhalt der Täteraussage sauber in Rechtferigung des Haftbefehls hingedreht und so den Medien präsentiert wurde!
Steckt dahinter etwa eine latente Ausländerfeindlichkeit? Schließlich wurde immer wieder von der Polizei und den Medien ausdrücklich betont, daß der geständige Täter und der beschuldigte Vasile D. Rumänen sind. Unüberhörbar waren jedenfalls die Auswirkungen in der Öffentlichkeit. Allerorts war eine massive Antistimmung gegen Rumänen zu beobachten. Was wäre passiert, wenn der junge Mann nicht seine zahlreichen engagierten Freunde gehabt hätte, die an ihn glaubten? Welch' eine Tragik für Vasile D., auf solche Weise in die Mühlen der Justiz geraten zu sein, die eine tiefe Zäsur für sein künftiges Leben und seine berufliche Karriere bedeutet. Dagmar Calais
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