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"Du hast sicher einen Dackel"

■ Anti-Diskriminierungstrainung nach Art der jüdisch-amerikanischen Anti-Defamation-League / Drei Kurse bisher in Bremen - und erste Kritik wird laut

Anti-Defamation-League / Drei Kurse bisher in Bremen – und erste Kritik wird laut

Nennen Sie bitte fünf prominente afrikanische PolitikerInnen! Nelson Mandela, Idi Amin, Mohamed Mubarak ... Das geht ja noch. Dann nennen sie doch bitte fünf asiatische KünstlerInnen! ... Nun, vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum Ihnen da so wenig einfällt, und Sie schämen sich ein bißchen. Aber daß Sie heulend rausrennen oder in Opfer-Täter-Rollenspielen zusammenbrechen, das müssen Sie nicht befürchten beim Anti-Diskriminierungs-Training der jüdisch-amerikanischen Anti-Defamation-League. Dort entscheidet nämlich jede Teilnehmerin selbst, was und wem sie erzählt über jene Situation, als sie diskriminiert wurde, weil sie eine Frau ist, oder über jene , als sie selbst über eine Mitschülerin witzelte, weil die eine Brille trug.

An einem solchen Training nahmen letzte Woche 20 LehrerInnen aus Bremen und Rostock teil. Bremen und Berlin sind die beiden ersten deutschen Städte, die ein solches Training anbieten. In den USA haben es bereits 110.000 LehrerInnen und 70.000 Angestellte aus der Wirtschaft durchlaufen. Hier sollen zunächst je mindestens zehn LehrerInnen in mehreren einwöchigen Kursen zu TrainerInnen ausgebildet werden, die dann wiederum an ihrer jeweiligen Schule die KollegInnen in eintägigen „Aufmerksamkeits-Trainings“ üben. Diese Woche trainieren Behördenangestellte, Ende des Jahres PolizeibeamtInnen. Bezahlt wurden die drei Kurse zum Beispiel von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Adenauer-Stiftung, der Bundes- und der Landeszentrale für Politische Bildung, vom WIS (wissenschaftliches Institut für Schulpraxis) und der Bremer Sparkasse.

„Ich glaube, Du hast einen Dackel, und Du, glaube ich, bist eine Mathelehrerin.“ Wer hat welchen Beruf, wer welches Haustier – mit solchen Kennenlernspielen fing die Kurswoche an. Die vermeintliche Dackelfreundin war übrigens tief getroffen. Vorurteile im Alltag. Die Menschen sind oft anders als man denkt, und vor allem anders als man selbst, sagt die US-Trainerin Miriam Spiegel. Das muß man aushalten lernen. Das Programm nennt sich deshalb „A world of difference“ (AWOD). Daß es eine Bereicherung sein kann, wenn andere anders sind, ist dann schon der zweite Trainingsschritt .

Die ersten KursteilnehmerInnen haben mittlerweile auch schon Kritik geäußert. „Vom Programm werden doch ausschlißlich Menschen erreicht, die schon ansatzweise kritikfähig und -willig sind'“, sagt etwa Fritz Starke, LehrerInnen-Ausbilder am WIS. Das sieht Trainerin Miriam Spiegel anders: „Ich darf natürlich nicht mit Überzeugermentalität auftreten. Aber wenn ich bei mir selbst nichts mehr tabuisieren muß, kann ich auch andere zulassen, zum Beispiel Skinheads, dann kann es durchaus zu einem Kontakt kommen.“

Etwas Ähnliches hat sie selbst erlebt: Ihre jüdischstämmigen Eltern flohen 1938 aus Deutschland. Miriam wurde 1945 geboren. Sie weigerte sich jahrelang, deutsch zu sprechen. 1980 aber kam sie als Gastdozentin nach Berlin – und fühlte sich dort wohl. „Ich glaube nicht, daß die Deutschen prädestiniert sind, andere Menschen zu quälen und zu unterdrücken. Dieses Potential ist überall vorhanden. Unter bestimmten Bedingungen aber bricht es hervor, zum Beispiel in der Zeit der großen Unsicherheit nach der Wende. Dann suchen die Menschen Sündenböcke.“

Sowas mit Verhaltenstraining kurieren zu wollen, findet LehrerInnen-Ausbilder Fritz Starke merkwürdig. Rassismus rühre weniger von Einstellungen her als von bestimmten Verhältnissen. Und nicht zuletzt: Solange der Staat selbst rassistische Haltungen schüre, sei solch ein individuelles Verhaltenstraining „für die Katz“.

Daß das Programm „Eine Welt der Vielfalt“ reines Verhaltenstraining sei, kritisiert auch Kathrin Prümm vom Dachverband ausländischer Kulturvereine in Bremen (DAB). BBC in London zum Beispiel habe aus der schlechten Erfahrung mit individuelle Ansätzen antirassistischer Arbeit das Programm „Mosaic“ entwickelt: Es setzt sich über das Verhaltenstraining hinaus mit ökonomischen und politischen Realitäten des Rassismus auseinander.

Auch in Deutschland gebe es bereits andere Programme: Das Projekt „Kantharos“ in Berlin zum Beispiel, entstanden aus der Zusammenarbeit von Deutschen mit HolländerInnen. Im „Kantharos“-Training erarbeite man zwar wie bei „A world of difference“ per Rollenspiel konkrete Handlungsstrategien, vernachlässige aber die Diskriminierung durch Gesetze und Politik nicht. Außerdem beschränke man sich ausdrücklich auf die rassistische Diskriminierung.

cis

Infos zum Anti-Diskriminierungstraining: WIS, Tel. 3506112

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