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"Die Preise laufen davon"

■ Nilo Salazar ist Generalsekretär der nicaraguanischen Bauarbeiter-Gewerkschaft SCAAS, die der oppositionellen sozialistischen Partei nahesteht

I N T E R V I E W „Die Preise laufen davon“

Nilo Salazar ist Generalsekretär der nicaraguanischen

Bauarbeiter-Gewerkschaft SCAAS, die der oppositionellen

sozialistischen Partei nahesteht

Der bisher längste Lohnkampf im sandinistischen Nicaragua ist schnell zu einem Politikum geworden. Ein Streik von rund 5.000 Beschäftigten des Baugewerbes, die in der sozialistischen Gewerkschaft SCAAS organisiert sind, dient inzwischen der gesamten politischen Opposition als Prüfstein für den Demokratisierungswillen der Regierung. Die Sandinisten und deren Gewerkschaften werfen den Streikenden vor, sich von den Rechten manipulieren zu lassen.

taz: Seit 90 Tagen sind die Bauarbeiter der SCAAS im Streik. Wie ist dieser Arbeitskonflikt entstanden?

Nilo Salazar: Im Mai 1987 präsentierte das Arbeitsministerium einen neuen Katalog, der unsere Arbeitsnormen drastisch anhob. Wenn man früher in acht Stunden acht Quadratmeter Mauer errichtete, so wurde die Norm jetzt auf 15,95 Quadratmeter erhöht. Es gibt Normen, die man nicht einmal in einem 16-Stunden-Tag erfüllen könnte. Als die Arbeiter dann in 15 Projekten der staatlichen Konstruktionsfirma ECONAC in Streik gingen, nahm das Ministerium den Katalog zurück. Mit der Währungsreform im vergangenen Februar wurde die Lohnskala neu erstellt und der Normenkatalog zwingend vorgeschrieben. Die Regierung sagt, die Löhne sind um 500 Prozent gestiegen. Das kann schon sein, aber gleichzeitig haben sich die Konsumpreise vervielfacht. Ein Liter Speiseöl, der offiziell zwölf Cordobas kostet, ist unter 200 nicht zu kriegen. Ein Bauarbeiter muß für einen Liter Öl fünf Tage arbeiten.

Zuletzt hat auch die sandinistische CST Lohnerhöhungen gefordert und ausgerechnet, daß der Mindestwarenkorb für die meisten Arbeiter nicht erschwinglich ist.

Die sprechen von 40 Prozent Lohnerhöhung. Das reicht nie. Gleichzeitig sagen sie, ein Arbeiter braucht 3.700 Cordobas für seinen Warenkorb. Ein Hilfsarbeiter verdient derzeit 792 Cordobas im Monat. Und ein Polier würde mit 40 Prozent Zuschlag gerade auf 1.800 Cordobas kommen.

Die CST meint, Lohnerhöhungen bringen nichts, solange Krieg herrscht. Man müsse vielmehr die Güterverteilung kontrollieren.

Solange es keine Stabilität und wirksame Preiskontrolle gibt, wird durch Lohnerhöhungen nichts gelöst. Es ist richtig, daß Maßnahmen getroffen werden müssen. Aber die Regierung tut nichts, sie nährt vielmehr selbst den Schwarzmarkt.

Die Regierung beschuldigt Euch, der Contra und der CIA als Werkzeug zu dienen. Tatsächlich habe ich kürzlich in einem Sender der Contra gehört: „Die Bauarbeiter halten unsere Fahne hoch.“

Es ist klar, daß die Fehler der FSLN von ihrem Feind ausgenutzt werden. Aber wir werden niemals die Fahne der Konterrevolution hochhalten. Wir wissen, wenn die an die Macht kommen, werden wir Arbeiter auch wieder untergebuttert.

In der Praxis kann man doch eine taktische Allianz mit den Rechtsparteien beobachten.

Die 14 Oppositionsparteien haben nicht einmal untereinander eine Allianz geschlossen. Bei denen gibt es nur eine Einigung über die Forderung nach einer Verfassungsreform. Präsident Ortega hat schließlich gefordert, daß sich die Opposition einigt. Für die Forderungen der Arbeiter kann sich jeder aussprechen. Einige tun es sicherlich, um Prestige zu gewinnen.Interview: Ralf Leonhard

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