: Dieter Bohlen, kein böser Scherz
Seit gestern muss sich ein Arbeitsloser vor dem Bremer Landgericht verantworten, weil er in einer filmreifen Szene die Sparkasse in Horn-Lehe überfallen hat. Gutachter: „Unreife Persönlichkeit“
Bremen taz ■ „Anfangs habe ich das nicht für voll genommen.“ Beate K. schüttelt den Kopf. Es ist der 18. Mai 2005, die Sparkassen-Filiale in der Kopernikusstraße 69 öffnet soeben ihre Pforten. An der 42-Jährigen stürmt ein Mann im ballonseidenen Jogging-Anzug vorbei, vor dem Gesicht eine Papiermaske mit dem Gesicht von Dieter Bohlen. „Ich dachte an einen bösen Scherz“, erinnert sich die Hausfrau.
Aber Renee D. meinte es ernst. Mit einem Gasrevolver bewaffnet fordert er die Herausgabe des Geldes, 1.000 Euro bekommt er schließlich ausgehändigt, in kleinen Scheinen. Mehr hat auch die Bank nicht parat. Zehn Minuten später wird der Bankräuber festgenommen, seit gestern muss er sich wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht verantworten.
„Es ist genau so abgelaufen, wie man es aus dem Fernsehen kennt“, erzählt Marcus G., Bankangestellter im grauen Anzug, „ganz klassisch“. Doch D. ist kein abgebrühter Krimineller. Mit tränenerstickter Stimme sagt der unscheinbare 29-Jährige vor Gericht aus, immer wieder schlägt er die Hände vor dem Gesicht zusammen, rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. „Ich bin davon ausgegangen, dass das auf jeden Fall klappt.“ Klar habe er gewusst, dass die Bank videoüberwacht wird. „Aber ich hatte ja die Maske.“ Und eine Perücke vom Flohmarkt, eine Wollmütze, dazu ein paar Einweghandschuhe aus dem Verbandskasten im Auto. Über die mögliche Beute machte er sich vorher keine großen Gedanken. „Ein paar tausend liegen doch da immer.“
Eine unreife Persönlichkeit wird der Psychiater Martin Heinze das später nennen. Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten hegt er jedoch keine. „Er wollte seinem Selbstbild als Versager etwas entgegensetzen“, schreibt der Sachverständige in seinem Gutachten.
Größere Geldsorgen hatte der arbeitslose KFZ-Mechaniker keine, auch der Kühlschrank war nicht leer. „Aber ich wollte besser leben“, sagt D. vage – die Wohnung renovieren, die Rechnung für sein kaputtes Auto abbezahlen, sich selbstständig machen. Als Immobilienmakler vielleicht, oder mit einer Autowaschanlage. „Ich hatte alles mögliche vor. Das Beste sollte es dann werden.“ Das alles aber hätte Geld gekostet. Arbeitslosengeld II reichte da nicht aus, auch exzessives Lotto-Spielen half nicht weiter. Selbst die kleine Lebensversicherung war schon geplündert – „da kam ich auf die Idee, eine Bank zu überfallen“.
Rund eine Handvoll Banküberfälle verzeichnet die bremische Polizeistatistik in jedem Jahr. „Ich habe nicht daran geglaubt, dass heute überhaupt noch Banken überfallen werden“, wundert sich der Zeuge aus der Sparkasse. Renee D. drohen fünf Jahre Gefängnis, ein Jahr auf Bewährung, falls das Gericht den Fall als minderschwer einstuft und Therapie statt Knast verordnet. Am Donnerstag wird mit einem Urteil gerechnet. Jan Zier