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Archiv-Artikel

Schmähung der reichen Erbin

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erhebt ihre Stimme für die Zwangsarbeiter in den Flick’schen Fabriken

Von WBG

Wie schön, dass Patrick Bahners von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) weiß, welche Stimme die heute noch lebenden Opfer von Zwangsarbeit und Arisierung während der NS-Zeit brauchen: seine Stimme. Er nämlich muss an ihrer Stelle der Öffentlichkeit sagen, welche Stimme die Opfer nun überhaupt nicht brauchen: die Stimme „einer reichen Erbin eines verurteilten Kriegsverbrechers“. Erbin eines verurteilten Kriegsverbrechers, das klingt dramatisch, das klingt, als habe die reiche Erbin Böses vor; wahrscheinlich das, was man von ihr am wenigsten erwartet: Erbschleicherei. In diesem Fall wohl moralische Erbschleicherei. Denn die reiche Erbin, Dagmar Ottmann, geborene Flick, teilt – wie sie in einem Brief an Die Zeit öffentlich machte – das Leid der Opfer, die es schmerzt, dass der Namen ihres Ausbeuters künftig „über einer schicken Kunstausstellung“ prangen und den Ruhm des Namens Flick verbreiten soll. Diese Empathie steht einer reichen Erbin nicht zu. Noch weniger einer Literaturwissenschaftlerin, die sich auf ihre Arbeit beruft, um zu erklären, warum ihr die symbolische Reichweite der Berliner Ausstellungspläne besonders sinnfällig ist. Völlig untaugliche Begründung! Um diese Zumutung weiß ein anständiger Mensch ganz ohne Literaturstudium. Weshalb sich die FAZ nun als Stimme der Opfer zu Wort melden und dies einmal sagen muss. Völlig untauglich auch das Ansinnen der Wissenschaftlerin, Wissenschaftler einer anderen Disziplin, Zeitgeschichtler, damit zu beauftragen, den Ruhm des Namens Flicks in Hinblick auf das Kerngeschäft des Konzern – das weder Kunstsammeln noch Literatur betraf – untersuchen zu lassen; und diese Untersuchung auch noch mit dem ererbten Blutgeld zu bezahlen. Was bei VW und der Deutschen Bank als richtige Aufarbeitung der Vergangenheit auch in der FAZ gewürdigt wurde, ist im Falle der Friedrich Flick KG grundfalsch. Vor allem, da die Netzwerke der Nachkriegszeit untersucht werden sollen, denen sich das Wiederaufblühen des Konzern verdankt. Gerade hier ist Forschung überflüssig. Ganz generell ist ja klar, dass Seilschaften halfen. Genaueres wissen zu wollen, heißt bei Bahners nicht Wissenschaft, sondern „verschwörungstheoretische Phantasien“. Apropos Konspirationstheorie und „ominöse Netzwerke“: Kann es sein, dass die FAZ deshalb so konfus und meistenteils nur auf der Randspalte über die Flick-Sammlung berichtet, weil Heinz Berggruen, der Kunsthändler und -sammler, ihr herausgehobener Gastautor ist? Heinz Berggruen, der das Patronat über F. C. Flicks Berlinpläne hält? Dem man verpflichtet ist? WBG