„pro köln“ : Verharmlosung rächt sich
Erinnert sich noch einer an jenes legendäre Konzert auf dem Chlodwigplatz? Wie lautete noch das Motto, mit dem Anfang der 1990er Jahre hunderttausend Kölnerinnen und Kölner gemeinsam gegen Rechts demonstrierten? Zu viele in Köln scheinen es vergessen zu haben.
KOMMENTAR VON PASCAL BEUCKER
Anfang September berichtete die selbst ernannte „Bürgerbewegung Pro Köln“ auf ihrer Internetseite von einer sonderbaren Begebenheit. Das Bonner Marktforschungsinstitut Omniquest führe derzeit eine Meinungsumfrage durch, die „offensichtlich manipulativ angelegt“ sei, verkündeten die Rechtsausleger. So sei einem Befragten, der angegeben hätte, „Pro Köln“ wählen zu wollen, die Nachfrage gestellt worden, ob er nicht lieber einer anderen Formation seine Stimme geben wolle. Er habe dem Interviewer insgesamt zwei Mal ausdrücklich widersprechen müssen, bevor seine Stimme den „Sonstigen“ zugeschlagen worden sei.
Ob diese Behauptung stimmt oder nicht: Tatsache ist, dass es die beiden Kölner Lokalblätter, in deren Auftrag jene „repräsentative“ Umfrage erstellt wurde, nicht für nötig hielten, ihre Leserinnen und Leser darüber aufzuklären, wer sich eigentlich hinter jenen etlichen Prozentpunkten für die „Anderen“ verbirgt. Hat es sie einfach nicht interessiert?
Wenige Tage vor der Kommunalwahl veröffentlichten CDU, SPD, Grüne und FDP kämpferisch eine gemeinsame Erklärung gegen „Rechtsextremisten und linksradikalen Demagogen“. Der kleine Haken dieser „beispiellosen Aktion gegen rechts“: Mit keinem Wort verrieten die vier Parteien, vor welchen in Köln antretenden Parteien oder Wahllisten sie hier eigentlich warnen wollen.
Totschweigen – das war der Umgang der demokratischen Parteien und führenden Zeitungen der Stadt mit dem Phänomen „Pro Köln“. Nicht einmal die explizite wie eindringliche Warnung des Landesinnenministers Fritz Behrens (SPD) vor „Pro Köln“ hat sie dazu bewegen können, frühzeitig, sprich: vor der Wahl, die offensive Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten aufzunehmen.
Die „Strategie“ des Verschweigens hat sich grandios blamiert – und das war absehbar. Denn wie kann eine Gruppierung ignoriert werden, deren penetrante Parolen während des Wahlkampfes überall in der Stadt unübersehbar waren? Nun jedoch haben nicht nur die Totschweiger, sondern das gesamte demokratische Köln dafür die Quittung kassiert. Es rächt sich, wenn Medien mit Meinungsumfragen Politik machen wollen, anstatt über die realen Verhältnisse aufzuklären. Es rächt sich, wenn Politiker wohlfeile Erklärungen verfassen, die jedoch durch Anonymisierung und falsche Gleichsetzungen die Gefahr von rechts verharmlosen.
Es wird ungemütlich werden: im Kölner Rat, in den Bezirksvertretungen und in der Stadt. Spätestens jetzt, wo Rechtsextreme wieder in Fraktionsstärke im Stadtrat sitzen, sollten wir uns an das Motto jenes Chlodwigplatzkonzertes erinnern: Arsch huh, Zäng ussenander!