press-schlag : Wie in Albaniens achter Liga
Die Fans des englischen Fuß-ballklubs Brighton & Hove Albion kämpfen für ein eigenes Stadion. Eine neue Single soll dabei helfen
„Our ground’s too small / The costs too high / Without Falmer / Our club will die“ singen die Seagulls Ska auf ihrer Single „Tom Hark (We Want Falmer)“, die heute in England erscheint. Seagulls Ska ist die Band des Musikers Attila The Stockbroker, der seit Jahren den Kampf der Fans des Fußballklubs Brighton & Hove Albion für ein eigenes Stadion unterstützt. Seit mehr als sieben Jahren ist der Verein nunmehr heimatlos, immerhin spielt das „Seagulls“ genannte traditionsreiche Team seit 1999 wieder in Brighton, nachdem es seine Heimspiele zwei Jahre lang im 130 Kilometer entfernten Gillingham austragen musste.
Doch das Withdean-Stadion, wo die Seagulls nun spielen, fasst nur knapp 7.000 Zuschauer und ähnelt einem Dorfplatz. Pläne für ein neues Stadion mit 23.000 Plätzen in Falmer am Stadtrand von Brighton liegen seit Monaten bei der Stadtverwaltung, doch diese scheint unwillig, den Bau der Arena zu genehmigen. Um dem Wunsch der Fans auch musikalischen Ausdruck zu verleihen, hat Attila The Stockbroker die neue Platte aufgenommen, die neben „Tom Hark“ auch die Hymne der Albion-Supporters „Sussex By The Sea“ in zwei Versionen enthält, sowie den Song „Roll Up For The Donkey Derby“, der den mangels regionaler Konkurrenten zum Erzrivalen erkorenen Londoner Klub Crystal Palace verspottet. Neben den Einnahmen, die der Kampagne für das neue Stadion zugute kommen, erhoffen sich die Musiker auch Publicity für ihre Sache etwa durch Auftritte in Fernsehsendungen wie Top of the Pops.
Das Unheil bei Brighton & Hove Albion nahm ab 1993 seinen Lauf, als der Klub, seit über achtzig Jahren in den englischen Profiligen vertreten, in die Drittklassigkeit abrutschte. Und mit rund drei Millionen Pfund Schulden kurz vor dem Konkurs stand. Zudem war das vereinseigene Goldstone-Stadion veraltet und genügte nicht mehr den Sicherheitsauflagen. Wie aus dem Nichts tauchte ein vermeintlicher Heilsbringer namens Bill Archer auf, Direktor einer großen Heimwerkermarkt-Kette. Im Handstreich erwarb er die Mehrheit am Klub für den Spottpreis von 56,25 Pfund – und plante „Großes“. Der neue Präsident gewann David Bellotti, einen ehemaligen Parlamentarier, als Generalmanager. Archer, Stanley und Bellotti versprachen den Fans, ein neues Stadion an der Peripherie zu errichten. Zwei Jahre später war immer noch nichts passiert. Dann förderte die lokale Zeitung Evening Argus schier Unglaubliches zu Tage: Das Präsidium hatte das Stadiongelände gegen die Bestimmungen des englischen Fußballverbandes (FA) und ohne Mitgliederbefragung für 7,4 Millionen Pfund an das mit Archer verbundene Konsortium Chartwell Development Properties verkauft. Damit stand der Traditionsverein plötzlich ohne Spielstätte da. Das versprochene neue Stadion erwies sich als Lippenbekenntnis, als Seifenblase in einem von vornherein abgekarteten Spiel.
Spieler wurden quasi weggeekelt, die Seagulls fielen auch sportlich ans Ende der Division. Nun war endgültig klar, dass der Klub in die Hände von Geschäftemachern geraten war, die ihn absichtlich absteigen lassen wollten, um sich mit dem Profit aus dem Staub zu machen. Die Fans protestierten zunächst mit Gesängen, Flugblättern und Leserbriefen in der lokalen Presse über ihre Brighton Independent Supporters Assoziation (BISA). Mitgründer Attila the Stockbroker alias John Baine sah 1997 zwar Reaktionen in der Öffentlichkeit, aber kaum den Willen zur Veränderung: „Die Football Supporters Association hält sich raus, die Football Association kümmert sich nur um die Premier League“, ärgerte er sich.
Unter diesen Umständen fast sensationell, konnte das Team dem Abstieg entgehen. „Wir werden weitermachen, denn Brighton ist nur der Anfang. Die Menschen hier haben nicht allein für Brighton demonstriert, sondern für den Fußball, der den Fans gehört“, resümierte Baine, der fortan bei Heimspielen auch als Stadionsprecher fungierte und das Publikum mit selbst auf englischen Fußballplätzen ungewohnten Klängen von The Clash, Chumbawamba oder den Sex Pistols unterhielt. Der Abriss des Goldstone-Stadions hatte am 26. April 1997 begonnen, der Klub musste ins Exil, zunächst nach Gillingham in Kent an der Themse-Mündung.
Inzwischen hatte zwar eine Gruppe um den lokalen Werbefachmann Dick Knight 50,5 Prozent des Klubs erworben und so die Macht von Bill Archer gebrochen, doch die Chartwell Development hatte das Grundstück des zerstörten Goldstone-Stadions für 24 Millionen Pfund bereits weiter verschoben. Immerhin fand Knight mit Fatboy Slims Musiklabel Skint nicht nur einen passenden Trikotsponsor, sondern konnte auch die Rückkehr nach Brighton bewerkstelligen. Dort legte der Verein im alten Leichtathletik-Stadion von Withdean eine fast märchenhafte Siegesserie hin, die ihn von der dritten in die erste Division führte, die Klasse direkt unterhalb der Premier League.
Der Höhenflug ist inzwischen gestoppt. 2003 ging es wieder in Division Two, wo die Seagulls derzeit nicht unbedingt vielversprechend auf Rang 20 liegen. „Wenn sie kein neues Stadion bekommen, werden sie jedes Jahr um ihr Leben kämpfen“, sagt Danny Wilson, Manager von Bristol City und ehemaliger Brighton-Spieler. Drastischer drückt es Attila in „Tom Hark“ aus: „We’re stuck in an athletics track we really hate / Like playing in Albania Division Eight“.
GERD DEMBOWSKI, MATTI LIESKE