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press-schlagDer Preis des olympischen Zaubers

Olympia ist wunderbar – und sauteuer. Die deutschen Bewerber sollten sich endlich ehrlich machen

Olympische Sommerspiele sind eine wunderbare Sache. Sie können einen ganz eigenen Zauber über die gastgebenden Städte legen. In lauen Sommernächten auf dem Weg durch die Stadt mit Olympiagästen aus Ländern ins Gespräch zu kommen, von denen man vielleicht einmal vor Jahren im Geografieunterricht gehört hat, kann den Horizont erweitern. Die zivile Armee der freiwilligen Helfer, die nimmermüde freundlich Auskünfte in den verschiedensten Sprachen geben, bereichern das – Achtung! – Stadtbild für zwei Wochen ungemein.

Und auch wenn man keine Karte für einen Wettbewerb ergattern konnte, erschließt sich die Olympiastimmung beim Schlendern durch die Stadt von ganz alleine. Das immer noch omnipräsente Schwärmen über die Sommerspiele von Paris im vergangenen Jahr ist Ausweis dieser ganz speziellen olympischen Aura.

Für die meisten Sportlerinnen und Sportler gibt es ohnehin nichts Größeres als die Spiele. Sie verschaffen ihnen die ganz große Bühne, die sie sonst nicht haben. Eine Fechterin kann zum Superstar werden, ein Wildwasserkanute zur besten Sendezeit zum Hingucker und die unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte einer Ringerin kann die Welt zu Tränen rühren. Wer zum ersten Mal einen Gewichtheberwettkampf live in der Halle miterlebt, weil für die Leichtathletikwettbewerbe keine Karte mehr zu bekommen war, wird gewiss staunen über die jahrmarktreife Darstellung purer Menschenkraft auf einer Bühne.

Ein Herzschlagfinale beim Marathon, ein irrwitzig langes Solo auf dem Rennrad oder ein perfekt ausgeführter Hüftwurf auf der Judomatte bilden die Schönheit des Sports ab. Die schiere Größe von Olympia sorgt dafür, dass auch Sportarten, die sonst ein Schattendasein im allgegenwärtigen Profifußball der Männer fristen, gefeiert werden.

Wie viel darf’s denn kosten?

Olympische Spiele sind ein wahrhaft fantastisches Sportfest. Ein solches in Zukunft auch mal in Deutschland erleben zu dürfen, wäre ein echtes Privileg. Es gibt da nur ein Problem – sie sind mit irrwitzigen Kosten verbunden. Das wissen auch die vier Bewerberregionen, die die Spiele so gerne nach Deutschland holen möchten. Doch weder an Rhein und Ruhr, noch in Berlin oder Hamburg wird eine ehrliche Rechnung aufgemacht. Auch in München, wo die Bürgerinnen und Bürger am Sonntag dazu aufgerufen sind, in einem Ratsbegehren darüber abzustimmen, ob sich die Stadt für Olympische Spiele bewerben soll, drücken sich die Befürworter um die entscheidende Frage. Wie viel soll es der Stadtgesellschaft, dem Freistaat Bayern, dem Bund wert sein, ein zweiwöchiges Supersportfest zu holen?

6,6 Milliarden Euro Steuergelder sind in die Spiele von Paris geflossen. Das kann man schockierend finden. Man kann auch der Meinung sein, dass sich der Einsatz von öffentlichen Mitteln für zwei Wochen Olympiazauber gelohnt hat. Aber in den Werbeflyer der Landeshauptstadt München, der den Wahlunterlagen für das Ratsbegehren beiliegt, einfach reinzuschreiben „die Kosten werden refinanziert“, das sollte sich verbieten. Was soll das auch heißen? Dass alle Rechnungen bezahlt werden? Das sollte ja wohl klar sein.

Also liebe Olympiabewerber aus Deutschland, wie wäre es mit mehr Ehrlichkeit im Umgang mit den Kosten für Olympische Spiele? Die sind nicht nur, was die Geldbeträge angeht, enorm. Die Überwachungsfantasien, die bei Sportgroßereignissen von Innenpolitikern gerne ausgelebt werden, gehen auf Kosten der Bürgerrechte. Auch das gehört zu der Frage, die sich eine Gesellschaft stellen muss: Wie viel ist uns der olympische Zauber wert?

Andreas Rüttenauer

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