piwik no script img

press-schlagDer taugt doch überhaupt nichts

Der neue VfB-Trainer wird in Stuttgart schon so begrüßt, wie andere verlässlich verabschiedet werden

Ich habe seit Jahren ein hundertprozentig funktionierendes System, um die jeweilige Entlassung des VfB-Trainers zu terminieren. Ich frage einen emotional sehr involvierten Stuttgarter Superfan regelmäßig: „Und? Was hältst du vom Trainer?“ Wenn er sagt: „Der taugt doch überhaupt nichts“, sind es noch genau zwei Wochen. So war es auch bei Hannes Wolf.

Doch mit Tayfun Korkut hat die Sache eine neue Dimension erreicht. Der neueste VfB-Trainer wurde letzte Woche in Stuttgart bereits mit der „taugt nichts“-Verabschiedung begrüßt. An den üblichen Abkotzorten wurde er beschimpft, dass es nur so qualmte. Er sei der „derzeit schlechteste Trainer der Bundesliga“, sagte ein Fanclubsprecher in der Stuttgarter Zeitung.

Nun liegt bei dieser Art Regionaltraditionsclubs wie VfB, HSV, Köln, Werder oder Kaiserslautern einiges im Argen. Der Präsident, der den Stuttgartern eine goldene VfB-Zukunft versprochen hat, ist derselbe, der ihnen vor ein paar Jahren mit ähnlichem Getöse das Milliarden-Umverteilungsprojekt „Stuttgart 21“ verkauft hat. Umverteilung von unten nach oben, versteht sich. Letztlich geht der Vorwurf, nichts zu taugen, an Präsident Wolfgang Dietrich und Sportdirektor Michael Reschke.

Aber selbst wenn Korkut kein Thomas Tuchel ist, ist das ein respektloser Umgang, der auch nicht dadurch zu rechtfertigen ist, dass ein Trainer viel Geld verdient und sich deshalb alles gefallen lassen muss.

Nach Korkuts Premiere am Wochenende, einem 1:1 beim VfL Wolfsburg, stand sein Mittelstürmer und Torschütze Mario Gomez in der Mixed Zone und weigerte sich, Korkuts Einstand zu kommentieren. „Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr über Trainer zu sprechen“, sagte der Nationalspieler in sachlichem Ton.

Nachdem man ihn in den letzten Wochen offenbar permanent fragte, ob der alte Trainer das Team „noch erreicht“, hat er keine Lust, jetzt die üblichen Begeisterungsphrasen abzuliefern. „Können Sie wenigstens sagen, was Korkut für ein Typ ist?“, fragte ein Radioreporter. „Nein, auch nicht“, antwortete Gomez.

Auch wie der VfB im zweiten Durchgang durch moderate taktische Veränderungen Wolfsburg plötzlich unter Druck setzte und deshalb am Ende dieses 1:1 mitnahm, war tabu.

„Taktik wird in der Kabine besprochen“, sagte Gomez.

Das markiert ganz gut den Stand der Dinge in der Bundesliga: Die Protagonisten sprechen mit der Öffentlichkeit nicht über Fachliches. Und mit Medien, die die Chose nicht bezahlen, am liebsten gar nicht. Alle sind nur noch von­einander genervt – und das ja nicht zu unrecht.

„Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr über Trainerzu sprechen“

Mario Gomez

Und größere Teile der Öffentlichkeit interessieren sich auch gar nicht für taktische Varianten und auch nicht für strukturelle Managementprobleme – oder gar dafür, dass die Spiele im Stadion durch den um sich greifenden Überlebensstil einen immer begrenzteren Fußballerlebnisfaktor haben.

Die Leute haben Bauchschmerzen angesichts des Ganzen, klar, aber was soll man machen, außer sich zu amüsieren, so gut es geht? Dann lassen sie einen Wut- oder Witzrülpser raus – und fühlen sich erleichtert. Für den Moment. Dann warten sie, bis der nächste Trainer kommt.

Das wirklich Traurige an der Sache ist, dass diejenigen, die Tayfun Korkut jetzt schon abhaken, am Ende recht behalten werden. Denn am Ende wird der Trainer immer entlassen, jedenfalls beim VfB Stuttgart. Peter Unfried

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen