press-schlag : Die Lücke im Zaun
Die deutsche Nationalmannschaft hat sich zur Regeneration auf Sardinien zurückgezogen. Der taz ist es gelungen, einen Blick auf das Team zu erhaschen
Am Ende eines langen Nachmittages, kurz nach fünf, geschieht dann doch, was nicht geschehen soll: Sieben deutsche Touristenhälse recken sich über den Zaun. Das nichtöffentliche Training der deutschen Nationalmannschaft wird von Urlaubern begutachtet. Auf einem zehn Meter langen Abschnitt ist die Einfriedung des Sportplatzes von der Hotelanlage „Forte Village“ nicht zugewachsen. Eine Lücke, die man aufgrund der sonst so perfekten Abschottungspolitik des DFB im Südwesten Sardiniens für ausgeschlossen gehalten hätte.
In den Stunden zuvor ist man nämlich ganz auf Insider-Informationen aus der Hotelanlage angewiesen, dem ersten Vorbereitungsstandort für die Weltmeisterschaft. Geht man zu Fuß auf das Portal zu, lässt der Pförtner demonstrativ die Schranke herunter. „Privato“, sagt er und erwidert jede weitere Frage mit derselben Auskunft. Von außen kann man nicht eines der sieben Hotels sehen, die sich laut Prospektbeschreibung im Pinienhain der Anlage befinden sollen.
Die deutschen Nationalspieler sollen sich fernab von öffentlicher Belästigung mit ihren Familien regenerieren, teilte auf Anfrage Michael Herz aus dem Pressestab des DFB mit und ergänzte: „Deshalb haben wir nur ausgewählte Medien eingeladen, denen nur ein abgespecktes Programm geboten wird.“ Einer dieser Auserlesenen, ein Fotograf, ist noch dabei, seine Schnappschüsse von der Pressekonferenz zu bearbeiten, die um 12 Uhr auf dem Gelände stattfand. Einbestellt wurde er vom Klinsmanntross standardgemäß per SMS – morgens um halb neun. Der Fotograf spricht angetan von der riesigen grünen Oase da drinnen, durch welche er und seine Kollegen mit einer Bimmelbahn gefahren wurden. Laut DFB-Pressearbeiter Herz gehören dem auserwählten Medienkreis auch Vertreter des Sportmagazins Kicker an. Dabei hätte man diese im Nordosten von Sardinien vermutet, also am entgegengesetzten Ende der Insel. Denn in der Ausgabe vom letzten Montag wurde ein Fünf-Sterne-Hotel aus jener Region mit Foto als Herberge der deutschen Nationalmannschaft vorgestellt. Der um Ablenkung öffentlichen Interesses bemühte DFB dürfte sich an dieser Falschmeldung erfreut haben.
Vor dem „Forte Village“ sieht man deutsche Urlauber weder rein- noch rausgehen. Die Anlage ist fest in der Hand von italienischen Feriengästen. Ein abreisender junger Italiener namens Marco berichtet, er habe heute Morgen beim Training zugesehen. Was da gemacht wurde? Vergeblich sucht Marco nach entsprechenden englischen Worten. Der Fotograf hatte etwas von Bändern und Rasenhandball erzählt. Marco sagt schließlich: „Ihr könnt Vertrauen in eure Nationalmannschaft haben.“ Ein von ausgesuchter Freundlichkeit geprägter Beruhigungsversuch – denkt man an die 1:4-Niederlage der Deutschen in Italien vor zwei Monaten zurück.
Einmal die Stunde etwa hält ein Auto mit deutschen Urlaubern, die erfolglos um Einlass bitten. In der Regel kommen sie aus einer benachbarten Hotelanlage, wo sie vom Aufenthaltsort des Nationalteams gehört haben. Ein Urlauberpaar berichtet, ihr Hotelmanager habe ihnen die kleine Stelle verraten, von der man den Rasenplatz des „Forte Village“ einsehen kann.
Was es da zu beobachten gibt, ist wenig spektakulär. Der angeschlagene Christoph Metzelder dreht einsam seine Laufrunden. Eine kleine Trainingsgruppe, bestehend aus Miroslav Klose, Robert Huth, Gerald Asamoah, Jens Nowotny und Sebastian Kehl, arbeitet mit Jogi Löw und dem amerikanischen Fitnesstrainer Mark Verstegen zusammen.
Die beiden Hüftsteifsten im deutschen Kader, Huth und Nowotny, werden von Verstegen besonders intensiv mit Koordinations- und Beweglichkeitsübungen beschäftigt. Entsprechend der Vorliebe von Klinsmann für die moderne Trainingslehre darf der Laptop am Spielfeldrand nicht fehlen. Er wird stetig mit aktuellen Herzfrequenz- und Pulsmessungen gespeist.
Die Trainingsbedingungen sind optimal. Mit 25 Grad ist es angenehm warm und einen solch gut gepflegten Rasen wie hier findet man in den Bundesligastadien selten. Wie heißt es doch auf der Homepage des „Forte Village“: „And wherever you are, you can be save that all your wishes will come true.“ Ein Motto, das die Möchtegernweltmeister aus Deutschland gerne über die Hotelanlage hinausretten würden. JOHANNES KOPP