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press-schlagDie Münchner Bayern wittern ein Komplott und entdecken ihren Kampfgeist

Aufstand der verfolgten Unschuld

Hurra, hurra! Endlich sagt es mal jemand in dieser Saison des Zagens und Zauderns: „Wir werden Deutscher Meister.“ Ausgerechnet die Münchner Bayern spucken solch große Töne, obwohl sie doch kürzlich schon den Spielbetrieb in der Bundesliga einstellen (Kahn) und nur noch an die Champions League denken wollten (Elber). Dabei haben sie wieder nicht gewonnen beim 1:1 in Freiburg.

Aber irgendwas war anders an diesem Tag. Nichts mehr zu hören von lahmen „Krise, aber doch nicht wir“-Dementis, Woody-Allen-haften Selbstzerfleischungen und resignativer Larmoyanz. In Freiburg traten die alten Bayern auf: arrogant, unverschämt, aggressiv. „Die glauben, sie sind die Stars und können machen, was sie wollen“, schimpfte Freiburgs Abder Ramdane über die verbale Gehässigkeit der Münchner. Torwart Richard Golz war weniger erstaunt: „Die Bayern machen immer so ein Theater.“

Wilder Zorn war es, der die Münchner erweckte. So, als sei der Geist von Berti Vogts aus Leverkusen herübergeschwappt, suhlen sie sich plötzlich in kruden Verschwörungstheorien. Jetzt werde man „erst recht“ Meister, orakelte Keeper Oliver Kahn mit daumigem Flackern in den Augen und tat so, als sei Schiedsrichter Fandel vom DFB, der Mafia oder Calmund ferngesteuert mit klarer Anti-Bayern-Mission ins Match geschickt worden. Schon bei Spielbeginn sah der Bayern-Keeper so grimmig drein, als hätte er einen Golfball verschluckt, und das war immerhin, bevor er tapsig am Freistoß von Wladimir But vorbei patschte. „Ich sage nichts, sonst sage ich noch was Schlimmes“, fiel Carsten Jancker in den Choral der verfolgten Unschuld ein, und auch Trainer Ottmar Hitzfeld lamentierte düster über das Gegentor „aus einer Standardsituation, wo kein Freistoß war“.

Fehlte eigentlich nur noch Uli Hoeneß mit dem Satz, dass keinem Verein jemals so viel Ungerechtigkeit widerfahren sei wie den Bayern in Freiburg. Doch ausgerechnet Attacken-Uli hatte Mühe, seinen Django-gegen-Gott-und-die-Welt-Blick hervorzuzaubern. Hoeneß blickte eher drein wie jemand, dem gerade ein Schwarzarbeiter von links nach rechts über den Weg gelaufen ist, und begnügte sich mit einigen merkwürdig müden Sentenzen.

Vielleicht hatte er aber auch nur auf die Tabelle geschaut und festgestellt, dass seine Mannschaft mit lächerlichen 23 Punkten nach 14 Spieltagen immer noch Vierter ist. Und wenn es kein dominierendes Team gibt, sondern eine ganze Reihe von Titelkandidaten, setzt sich am Ende meist der durch, der am stabilsten ist und am festesten an sich glaubt. Und das tun die Bayern ja jetzt erst recht.

MATTI LIESKE

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