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press-schlagEmotionen sind gefragt, doch wenn sie dann brodeln, ist es auch nicht recht

Bilder und Zeichen einer hochentwickelten Streitkultur

„Noch einmal die Höhepunkte dieses unfassbaren Spieltages“, um mit dem Moderator von „NDR 2 – Die Bundesligashow“ zu reden, eine Sendung, die als unfreiwillige Selbstparodie dem Genre der sonnabendlichen Fußballreportage den Garaus macht. Permanent hochgejazzte Reporterstimmen wechseln mit wirren Jingles, Torjubel-Collagen mit einem generatorenmäßigen Hintergrundton, der einsetzt, sobald der Moderator dran ist. Die Leerstellen, die einst die Hörer mit der eigenen Nervosität füllen konnten, werden zugeschmiert von künstlichem Daueralarm und zwar genau, seitdem die Radioreportage als Gegenentwurf zum Event-Fernsehen entdeckt wurde.

Ergebnisorientiert betrachtet war nämlich im ersten Teil dieses unfassbaren Spieltags bis etwa eine Stunde nach Beginn so gut wie gar nichts geschehen. Bis dahin passten die Zwischenstände wie gemalt in unser digitales Zeitalter, das nur noch zwei Ziffern kennt. Ohne Punkt und Komma aufgezeichnet sah es so aus: 00000110011000. Am Ende allerdings war dann doch genug Material da, um Bilder und Zeichen einer hochentwickelten Streitkultur zu funken. Mit Frank Rost und Jens Lehmann waren immerhin zwei Torhüter des Feldes verwiesen worden, Bremens Charisteas hatte es schon kurz vor der Halbzeit erwischt. „Häßliche Szenen“ (ZDF-Sportstudio) überall (darunter Elber gegen Lehmann die meistwiederholte), aber mit Mühe wurde gottseidank noch ein Held des Tages gefunden in Gestalt von Ioan Viorel Ganea, der, 18 Minuten vor Schluss eingewechselt, mit drei Toren dem VfB Stuttgart den Sieg sicherte.

Heuchelei beherrschte die meisten Berichte: Da wird ein Stadion nach dem anderen zur Arena, und wenn dann die Fetzen fliegen, ist es auch wieder nicht recht. Hat schon mal jemand die Spieler gezählt, die sich vor Beginn des Spiels, nach der Auswechslung, nach einem Tor bekreuzigen? Emotionen sind quasi Pflicht, aber bitte nur die „positiven“.

Sinnvoll allerdings scheint, die Gewalt, ohne die Mannschaftssportarten nicht denkbar sind, von den abgefeimten Psycho-Tricks der Spieler (siehe u.a. die „Rudelbildung“) zu unterscheiden. Über die Details müssen wir ein andermal diskutieren. Bis dahin führt der DFB eine Versammlung sämtlicher Spieler vor dem Anpfiff ein. Gemeinsam wird der Refrain von Funny van Dannens „Emotionen Pause machen“ gesungen, der Schiedsrichter klampft die Gitarre dazu. Danach erst geht es los.

DIETRICH ZUR NEDDEN

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