piwik no script img

Archiv-Artikel

portrait Der Mann, der George W. Bush bekehrte

In New York hat er seine Karriere begonnen, in New York wird er sie beenden. Am Montag tritt der Prediger Billy Graham zum letzten Mal vor ein Publikum. 60.000 Menschen werden seinen Worten folgen – Worte, die sich in der Vergangenheit häufig gegen Liberalismus, moralischen Verfall und Kommunismus wendeten.

Jetzt zwingt seine marode Verfassung Graham, sein steuerbefreites Großunternehmen in Sachen Religion an seinen Sohn Franklin zu übergeben. Der 86-Jährige leidet an Prostatakrebs und der Parkinsonkrankheit, dazu kommt ein Hüftleiden.

Graham wurde am 7. November 1918 in den Südstaaten geboren und fand 1939 zum baptistischen Christentum. Auf einer Predigttournee durch die USA kam er 1957 nach New York. Dort predigte er 16 Wochen lang jeden Abend im Madison Square Garden – vor vollem Haus. Mit diesen Auftritten begann er seine große Karriere. In den vergangenen 60 Jahren verkündete er seine Lehre vor einem Livepublikum von rund 210 Millionen Menschen in 185 Ländern. In Deutschland wurde er als TV-Prediger bekannt.

Er gilt als der einflussreichste Geistliche in den USA. Auch die Wiederbelebung des evangelische Christentums in allen Teilen der Gesellschaft wurde durch ihn bestärkt.

„Ich habe ihn immer geliebt“, erklärte auch der frühere US-Präsident Bill Clinton bei einer Veranstaltung am Samstag. In der Tat macht es den Erfolg des Evangelisten aus, dass er die Massen und die Mächtigen an sich binden konnte. Dwight D. Eisenhower suchte seinen Rat, bevor er Truppen abkommandierte, um die Rassentrennung an amerikanischen Schulen zu beenden.

Auch Richard Nixon sprach regelmäßig mit ihm. Als Nixon Präsident wurde, hielt Graham die Predigt zur seiner Inauguration. Das Verhältnis zu Nixon aber brachte ihm auch einen politischen Skandal. Nixons Vorliebe, persönliche Gespräche auf Band aufzuzeichnen, lieferte 2002 den Beweis für antisemitische Äußerungen Grahams aus dem Jahre 1972. Vor Veröffentlichung der Bänder hatte er stets bestritten, gesagt zu haben, dass „die Vorherrschaft (der Juden) gebrochen werden muss, oder dieses Land (die USA) geht den Bach runter“. Das sei, behauptete Graham später, nicht seine wirkliche Meinung gewesen.

Grahams möglicherweise größte und folgenschwerste Leistung: Er war es, der George W. Bush vom Alkoholiker zum wiedergeborenen Christen gewandelt hat. Mit zunehmendem Alter zog sich Graham, der in den ersten Jahren politisch und theologisch streng konservativ war, aus der Politik zurück. Seine Einsicht: „Wenn ich über Politik rede, dann schaffe ich nur Zwist.“ NATALIE TENBERG