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Archiv-Artikel

portrait Der Reeder ohne Bootsführerschein

Dann nagele ich eben Paletten zusammen, wie alle anderen.“ Kjell Inge Røkke schien am vergangenen Freitag keine großen Probleme damit zu haben, von einem Gericht in Oslo zu viermonatiger Haftstrafe, davon einen Monat ohne Bewährung, verurteilt worden zu sein. Dort erwartet ihn die übliche Knastarbeit für norwegische Führerscheinsünder: Paletten schreinern. „Nicht die 30 Tage im Knast sind das Schlimmste, sondern dass mir nicht geglaubt wurde.“

Der Großindustrielle, Reeder, mehrfache Millionär und exzentrischste Finanzmann Norwegens ist der Bestechung und Urkundenfälschung für schuldig befunden worden. Der Mehrheitsaktionär beim Aker-Kvaerner-Konzern mit Tochterwerften in Wismar und Rostock-Warnemünde hatte nach Überzeugung des Gerichts vor vier Jahren einen Beamten der schwedischen Schifffahrtsbehörde mit umgerechnet rund 11.000 Euro bestochen, um einen Bootsführerschein ausgestellt zu bekommen. Damit erschwindelte er sich ein Dokument zur Führung großer Boote in Norwegen. Schließlich wollte er seine 17,5 Meter lange Luxusjacht „Celina Bella“ selbst steuern. Der Schwindel flog auf, als er mit dem Kahn auf Grund lief und das Schiff auffallend hastig geräumt wurde, noch bevor die Wasserschutzpolizei an Ort und Stelle war.

Dabei hat der 46-Jährige ausgerechnet an Bord von Schiffen das Startkapital für seine spätere Finanzlaufbahn verdient. Der junge Fischer aus dem westnorwegischen Molde, in der Schule wegen erheblicher Leseschwäche und Hyperaktivität gescheitert, startete seine Karriere im Maschinenraum eines Fischtrawlers. Als die USA nur noch US-Boote in der Fischereizone vor Alaska fischen lassen wollten, erwachte sein Geschäftssinn. Er kaufte für geliehenes Geld schrottreife US-Fischerboote auf, baute sie zu modernen Trawlern um und verdiente seine ersten Millionen – die er zunächst in Grundstücksgeschäfte in Florida investierte und dann mit vollen Händen in Norwegen ausgab. Røkke, verheiratet mit der ebenfalls vermögenden Anne Grete Eidsvig, investierte in so seriöse Dinge wie den Industriekonzern Ake, aber auch in ein privates Jetflugzeug oder eine Berg-„Hütte“ mit 40 Zimmern. Seiner Heimatstadt Molde, einem Flecken mit 23.000 Einwohnern, schenkte er ein neues Fußballstadion für 17.500 ZuschauerInnen.

Kanzler Gerhard Schröder, der den großen Arbeitgeber an der Ostseeküste zweimal besuchte, lobte seinen Unternehmungsgeist und seine Risikobereitschaft. „Der reichste und unberechenbarste Kapitalist, den Norwegen je hatte“, urteilte die Osloer Aftenposten. Ein Verrückter mit zu viel Geld, meinen andere. REINHARD WOLFF