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Archiv-Artikel

portrait Kleine Präsidentin mit großen Nöten

Ihren Mann hat sie ins Ausland geschickt, damit der ihm anhaftende Geruch der Korruption sie nicht weiter belastet. Ebenso erklärte ihr in Verruf geratener Sohn, sein Parlamentsmandat auf unbestimmte Zeit ruhen zu lassen. Und sie selbst räumte kürzlich einen „Lapsus im Urteilsvermögen“ ein, weil sie sich kurz nach Schließung der Wahllokale im Mai 2004 bei einem hohen Mitglied der Wahlkommission telefonisch rückversicherte, dass sie die Präsidentenwahl auch wirklich mit einer Million Stimmen Vorsprung gewinnt. Gloria Macapagal Arroyo gewann wie gewünscht, weshalb die Opposition wie auch Exmitglieder ihres Kabinetts einen bekannt gewordenen Mitschnitt des Telefongesprächs als Zeichen von Wahlbetrug werten. Seitdem fordern sie Arroyos Rücktritt.

Doch die seit Januar 2001 amtierende philippinische Präsidentin klebt an ihrem Amt, obwohl sie kaum noch effizient regieren kann. Vielmehr forderte die 58-Jährige von ihren Gegnern, statt sie mit außergesetzlichen Maßnahmen zu stürzen, doch bitte ein verfassungsgemäßes Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Das ist gestern im Repräsentantenhaus geschehen und verfehlte prompt das nötige Drittel der Stimmen, um schnell im Senat entschieden werden zu können. Noch steht die Mehrheit der Abgeordneten hinter Arroyo, die kürzlich auch die wichtige Unterstützung des katholischen Klerus erhielt.

Arroyo kam selbst ins Amt, weil nach Demonstrationen hunderttausender das Militär ihrem Vorgänger Joseph Estrada wegen eines Korruptionsskandals das Vertrauen entzog. Damals war ein Amtsenthebungsverfahren gescheitert, doch war die Zahl der Demonstranten viel größer als heute. Gestern waren es 40.000, als Arroyo in der jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Umwandlung des Präsidialsystems in eine parlamentarische Demokratie vorschlug. Das bietet ihr eine willkommene Ablenkung und könnte ein gesichtswahrender Ausweg sein.

Die kleinwüchsige Arroyo ist die Tochter des früheren Präsidenten Diosdado Macapagal, der in den 60er-Jahren regierte. Während ihres Studiums in Washington war sie Kommilitonin von Bill Clinton. 1992 wurde sie Senatorin, 1998 Vizepräsidentin. Sie hat den Ruf, hart zu arbeiten, und tritt resolut auf. Gelegentlich bemüht sie sich um Volksnähe, doch die Masse der verarmten Bevölkerung empfindet sie als distanziert.

Arroyo ist klar eine Vertreterin des Establishments. Dieses weiß, dass sie nicht mehr das Vertrauen für die dringend benötigten Reformen hat. Doch es fehlt eine attraktive Alternative. Deshalb könnte sich Arroyos Präsidentschaft wie die Krise der Philippinen noch eine Weile hinziehen. SVEN HANSEN