portrait: Die geschasste Präsidentin
Es sind bittere Tage für Dilma Rousseff. Ihr Verteidiger und früherer Justizminister José Cardozo bezeichnete die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin am Dienstag vor dem Senat als „politische Todesstrafe gegen eine integre Person“. Sein Appell, zum Schutz von Demokratie und Gerechtigkeit gegen ihre Absetzung zu stimmen, verhallte ungehört. Am Mittwochnachmittag sprach alles für das erzwungene Ende der politischen Karriere von Rousseff wegen des Vorwurfs von Finanztricks.
Die 68-Jährige wehrte sich bis zuletzt gegen die Amtsenthebung, die sie als „Putsch“ bezeichnete. Sie ging so weit, das Verfahren mit ihrer Verurteilung durch ein Militärtribunal vor 40 Jahren zu vergleichen. „Damals wie heute sitzt die Demokratie neben mir auf der Anklagebank“, sagte Rousseff vor den Senatoren. In den 1960ern war Rousseff im Untergrund gegen die Militärdiktatur aktiv. Sie wurde nach ihrer Festnahme jahrelang gefoltert.
Rousseff gilt als pragmatisch. Sie ist die Macherin, die genau weiß, was sie will. Fehler gibt sie zu, wenn auch nur ungern: Ja, sie habe zu wenig kommuniziert, mit Verbündeten wie mit Gegnern. Ihrer Politik fehlte zuletzt eine klare politische Linie. Im Zuge der Wirtschaftskrise seit ihrer Wiederwahl 2014 ging vieles durcheinander. In ihrer ersten Amtszeit hingegen war die erste Präsidentin Brasiliens beliebt und erfolgreich. Ohne Brüche trat sie in die Fußstapfen ihres Mentors und Vorgängers Lula da Silva, der mit Sozialprogrammen und der Förderung der Zivilgesellschaft einen Prozess zaghafter Umverteilung in Gang brachte.
Rousseff stammt aus der Stadt Belo Horizonte. Sie ist gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin, war als Guerillera aktiv und später als Politikerin. Vor einigen Jahren überstand sie eine Krebserkrankung. Ihr technokratischer Politikstil steht dabei im Kontrast zu ihrem Temperament. Sie gilt als aufbrausend und soll schon einige Vertraute durch heftige Äußerungen vor den Kopf gestoßen haben. „Schwierig ist nicht mein Temperament, sondern mein Amt“, verteidigte sich Rousseff und ergänzte bestimmt: „Ich werde nicht kritisiert, weil ich hart bin, sondern weil ich eine Frau bin.“ Andreas Behn
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