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portraitSpätes soziales Gewissen

Rücktritt: britischer Arbeitsminister Iain Duncan Smith Foto: dpa

Dass der britische Arbeits- und Rentenminister Iain Duncan Smith am Freitagabend zurückgetreten ist, war für viele politische Beobachter in London keine Überraschung. Denn der in den Medien oft kurz „IDS” genannte Politiker, hatte sich stets klar für den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ausgesprochen. Damit lag der EU-Skeptiker schon seit Langem im Clinch mit seinem Parteifreund, dem Premierminister David Cameron.

Was überraschte, war eher die Begründung des 61-Jährigen. Mit keinem Wort bezog er sich auf Europa. Stattdessen verurteilte der ehemalige Armeeleutnant den von Finanzminister George Osborne zwei Tage zuvor vorgelegten Haushaltsentwurf. Osborne hatte darin Kürzungen bei den Sozialausgaben für Menschen mit Behinderungen in Höhe von 1,3 Milliarden Pfund pro Jahr (1,67 Milliarden Euro) angekündigt –und gleichzeitig Steuervergünstigungen an höher Verdienende. In diesem Zusammenhang, betonte Duncan Smith in seinem Rücktrittsschreiben, seien die Kürzungen nicht zu rechtfertigen und unfair.

Dabei galt „IDS“ bisher keineswegs als Verteidiger von Sozialausgaben. Im Gegenteil. Vielen Sozialhilfeempfängern galt er als die Person, die für die seit 2010 steten Kürzungen verantwortlich war. Erst seine Rücktrittsbegründung stellt ihn als einer der wenigen dar, die sich bei den Konservativen für ein soziales Netz einsetzen.

Viele Beobachter sehen den Rücktritt als Zeichen einer wachsenden Krise innerhalb der konservativen Partei, deren Chef Duncan Smith von 2001 bis 2003 gewesen war, bis ihm die Abgeordneten der eigene Partei mehrheitlich das Misstrauen ausgesprochen hatten.

Downing Street zeigte sich nach dem Rücktritt überrascht, und verwies auf Duncan Smiths Pro-Brexit-Posititon. Andere ihm nahe stehende Tories nutzten jedoch die Gelegenheit, sich über Finanzminister Osborne her zu machen, der auch als potentieller Nachfolger Camerons gehandelt wird. Baronin Philippa Stroud, die für Duncan Smith arbeitete, beschuldigte Osborne einen „zermürbenden Krieg gegen Sozialhilfereformen zu bestreiten“.

Daniel Zylbersztajn

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