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portraitDas Kamikaze-Kaninchen

Der ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk Foto: dpa

Wenn in der Ukraine von „Krolik“, dem Kaninchen, gesprochen wird, weiß jeder, wer gemeint ist: Premierminister Arsenij Jazenjuk. Jazenjuk selbst ist es sympathischer, wenn man ihn „Kamikadse“ nennt. So bezeichnete er die Mission seiner Regierung, die im Februar 2014 an die Macht kam. Seine Schwäche ist gleichzeitig sein großer Vorteil: „Krolik“ wird oft nicht richtig ernst genommen. Als der Abgeordnete Oleh Barna ihn im Dezember 2015 mit Gewalt aus dem Parlament tragen wollte, lachte das ganze Land über den blamierten Regierungschef.

Doch „Krolik“ hat diese Attacke genauso überlebt wie das jüngste Misstrauensvotum. Dass er Letzteres abwenden konnte, dürfte vor allem zweien seiner Charaktereigenschaften geschuldet sein: Durch sein unbeholfenes Auftreten löst der 41-jährige Jurist Mitleid und Beschützerinstinkte aus. Gleichzeitig handelt er über alle Parteigrenzen hinweg rücksichtslos in eigenem Interesse. So dürfte es seinem „Verhandlungsgeschick“ zu verdanken gewesen sein, dass der „Oppositionsblock“ bei der entscheidenden Abstimmung zum Misstrauensvotum am Dienstag den Saal verließ – und damit die politische Zukunft von Arsenij ­Jazenjuk vorerst sicherte.

Janzenjuks Biografie ist von einem großen Interesse an Wirtschaftspolitik und seinem Wunsch nach einer engen Anbindung der Ukraine an den Westen geprägt. Schon 2008 forderte er eine ukrainische Mitgliedschaft in der Nato. Als Berater des Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisenbank, Aval Bank, lernte der Mann mit dem unglaublichen Zahlengedächtnis seine spätere Frau kennen. Er ist Vater von zwei Töchtern. Seit Jahren lebt er in unmittelbarer Nachbarschaft zum Landsitz des früheren Präsidenten Wiktor Janukowitsch.

Der Abgeordnete Sergej Kaplin bezeichnete Jazenjuk kürzlich als „Sohn der Oligarchentruppe“. Und Michail Saakaschwili, Gouverneur von Odessa, warf Jazenjuk vor, das Land auszuplündern. Mit dem früheren Wirtschaftsminister, Außenminister, stellvertretenden Gouverneur von Odessa, stellvertretenden Chef der Nationalbank und Wirtschaftsminister der Krim wird noch lange zu rechnen sein.

Bernhard Clasen

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