portrait : Die Reguliererin der Reise-Telefonate
Ihr beruflicher Werdegang klingt nach Quotenfrau: Vorsitzende des Petitionsausschusses im Europaparlament, Vizechefin des Sozialausschusses, ab 1999 EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Jugend, Medien und Sport. Viviane Reding bekam vom damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi die klassischen Frauenthemen zugeteilt – dass die EU in diesen Bereichen gar keine Kompetenzen hat, machte die Sache nicht besser.
Doch in der Kommission unter Manuel Barroso zeigt sich die mehrsprachige Luxemburgerin mit der wetterfesten Frisur und der Vorliebe für Kostüme in neuem Licht. Zwar musste die gelernte Journalistin die Bereiche Bildung und Kultur an ihren slowakischen Kollegen Jan Figel abtreten. Doch ihr Ressort Medien und Informationsgesellschaft wird in einer Union, die auf Wachstumsimpulse aus der IT-Branche setzt, immer wichtiger.
Zentrale Projekte der Barroso-Kommission fallen nun in ihre Zuständigkeit. Derzeit überarbeiten ihre Beamten die Fernsehrichtlinie und überlegen, wie sie auf Internetdienste ausgeweitet werden kann. Gestern präsentierte Reding, die mit einem Griechen verheiratet ist und drei Kinder hat, ein Prestigeprojekt der Kommission, mit dem sie ihre Verbraucherfreundlichkeit beweisen will: Die gesetzlich verordnete Preisbeschränkung für Handynutzung im Ausland.
Bereits im Februar 2005 hatte die Kommissarin mehreren Mobilfunkbetreibern mit einem Verfahren gedroht, falls sie ihre Gebühren nicht senkten. Zwischenzeitlich hatte sie sich mit der Ankündigung vorgewagt, im Binnenmarkt dürfe ein Roaminggespräch nicht teurer sein als ein entsprechend langes Telefonat im Inland. Dabei verwies die 55-Jährige auf die Parallele zu einem neuen EU-Gesetz, das dafür sorgt, dass Banküberweisungen im Euroraum nicht mehr kosten dürfen als im Inland. Nach Protesten aus der Industrie und vom EU-Verbraucherverband milderte Reding ihre Pläne ab. Der Forderung aus der Branche, für Endverbraucher überhaupt keine Höchstpreise festzulegen, beugte sie sich aber nicht. Gestenreich erklärte sie gestern, dass der Verbraucher in der Kommission einen Anwalt seiner Interessen habe. Doch auch die Industrie könne mit dem neuen Gesetz gut leben: „Zwischen den entstehenden Kosten und dem erlaubten Höchstpreis gibt es breiten Spielraum für gute Profite.“
Von Chef Barroso erntete sie großes Lob für ihre Standfestigkeit. Ob Parteifreund Jean-Claude Juncker, der 1999 lieber eine Sozialdemokratin nach Brüssel geschickt hätte, seine Meinung über Reding revidiert hat, ist nicht bekannt.
DANIELA WEINGÄRTNER
wirtschaft SEITE 7