portrait: Ein mutiger, konservativer Journalist
Seine Website ist zum Kondolenzbuch geworden. Statt neuer Artikel Steven Vincents aus dem irakischen Basra sind unter www.redzoneblog.com seit gestern Früh nur noch Kommentare zu lesen wie der von 0.38 Uhr: „Ich habe gerade von Steven Vincents Tod erfahren. Die US-Botschaft in Bagdad hat eine Erklärung veröffentlicht. Er wurde in Basra erschossen, jenem Ort, über den er so eloquent geschrieben hat. Vincent hat dem Irak sein Herz und seine Seele gegeben.“
Der Name seines Blogs, in dem der Journalist alles schrieb, was er nicht gerade bei der sonst von ihm als linksliberal gegeißelten New York Times oder dem Christian Science Monitor veröffentlichte und was auch seine konservativen Stammpublikationen National Review und Frontpage Magazine nicht druckten, bezog sich auf das Buch, dass Vincent im vergangenen Jahr veröffentlicht hatte. „In the Red Zone“, das meint – mit Ausnahme des besonders gesicherten Regierungsviertels, der „Green Zone“ also – den ganzen Irak. Denn da bewegte sich der freie Journalist, der stets ohne Sicherheitseskorte arbeitete. Er schrieb aus einer konservativen, den Krieg unterstützenden Sicht das auf, was er als von den Mainstream-Medien unterdrückte Wahrheit ansah. Neben vielen Geschichten über die Hoffnungen einfacher Iraker auf Demokratie waren das auch wütende Polemiken gegen Friedensaktivisten, die sich im Irak nur für Verbrechen der USA interessierten, die Massenmorde des Saddam-Regimes aber nicht zur Kenntnis nahmen und die heutigen „Islamofaschisten“ und „Todesschwadronen“ als „irakischen Widerstand“ verklärten.
Sein letzter, unter der posthum zynisch-prophetisch anmutenden Überschrift „Abgeschaltet in Basra“ am Sonntag in der New York Times erschienener Beitrag kritisiert die Unterwanderung der irakischen Polizei durch schiitische Extremisten. Die Polizisten zeigten keinerlei Respekt für Menschenrechte oder die Grundideen eines demokratischen Rechtsstaates – und das, kritisierte Vincent, würden ihre britischen Ausbilder ihnen auch gar nicht beibringen. „Wenn die Briten in ihre Sicherheitssektor-Reformstrategie nicht wenigstens ein paar Basislektionen in Demokratie einschließen, riskiert Basra, unter die Knute islamischer Extremisten und ihrer westlich trainierten Polizei zu geraten“, warnte er. Die Kritik scheint ihn das Leben gekostet zu haben.
Am Dienstagnachmittag wurde Steven Vincent zusammen mit seiner Übersetzerin in Basra in ein Auto gezerrt. Seine Leiche wurde Stunden später auf der gleichen Straße gefunden, mit zahlreichen Einschüssen in Kopf und Rumpf. Seine Übersetzerin überlebte schwer verletzt. BERND PICKERT
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